Die für die Praxis bedeutsame Frage, ob für aufgrund von Feiertagen, Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub ausgefallene Arbeitsstunden ebenfalls der Höhe nach der Mindestlohn zu zahlen ist oder ob für diese Zeiten der Nichtarbeit eine arbeitsvertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung gezahlt werden kann, wurde in der Vergangenheit von verschiedenen Landesarbeitsgerichten für einen durch Rechtsverordnung nach § 7 AEntG verbindlich gewordenen tariflichen Branchenmindestlohn (Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15.11.2011) unterschiedlich beantwortet.

Nach Ansicht der Landesarbeitsgerichte Niedersachsen (Urteile vom 20.11.2013 – 2 Sa 667/13, vom 04.06.2014– 16 Sa 1348/13) und Berlin-Brandenburg (Urteil vom 07.03.2014 – 3 Sa 1728/13) richtet sich aufgrund des im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verankerten Entgeltausfallsprinzips die Entgeltfortzahlung für Feiertage und Krankheit nach der Höhe des tariflichen Mindestlohns.

Das LAG Köln vertrat hingegen jüngst die Auffassung (Urteil vom 16.01.2015 – 9 Sa 642/14), dass der tarifliche Mindestlohn ausschließlich für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen geschuldet sei und für die Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit ein auf Basis des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AentG) verbindlich gewordener tariflicher Mindestlohn nicht maßgeblich sei. Diese bei dem tariflichen Mindestlohn nach AEntG streitige Frage stellt sich entsprechend auch für den seit dem 01.01.2015 geltenden flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn nach dem MiLoG. So enthält auch das MiLoG keine Regelungen zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen, bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, während des Urlaubs und stellt in § 2 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG auf die erbrachte Arbeitsleistung ab. Das BAG hat nun mit Urteil vom 13.05.2015 (Az. 10 AZR 191/14) Klarheit für den Bereich eines auf Basis des AEntG verbindlich gewordenen tariflichen Branchenmindestlohns herbeigeführt. Ausweislich der bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung lassen sich die Ausführungen des BAG jedoch auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn übertragen.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten als pädagogische Mitarbeiterin beschäftigt und betreute Teilnehmer in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB III). Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin kam durch „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch“ (MindestlohnVO) des Bundesministeri- ums für Arbeit und Soziales der Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15.11.2011 (TV-Mindestlohn) zur Anwendung. Dieser Tarifvertrag sah eine Mindeststundenvergütung in Höhe von 12,60 Euro brutto vor. Die Beklagte zahlte an die Klägerin für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs die Mindeststundenvergütung, nicht jedoch auch für Feiertage oder Zeiten der Arbeitsunfähigkeit.

Die Urlaubsabgeltung berechnete die Beklagte ebenfalls nur nach der geringeren vertraglichen Vergütung. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung der Differenzbeträge für Feiertage, Krankheitszeiten und Urlaubsabgeltung zu der tariflichen Mindeststunden-vergütung geltend gemacht. Sowohl das Arbeitsgericht Braunschweig als auch das LAG Niedersachsen (Urteil vom 20.11.2013 – 2 Sa 667/13) haben der Klage stattgegeben.

Entscheidung

Die Revision des Arbeitgebers vor dem BAG hatte keinen Erfolg. Der 10. Senat des BAG bestätigte die Vorinstanzen und stellte fest, dass sich die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall für das pädagogische Personal in Aus- und Weiterbildungs-maßnahmen nach den für diesen Personenkreis erlassenen Mindestlohnvorschriften berechnet. Das BAG verwies zur Begründung auf die Bestimmungen der § 2 Abs. 1, § 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 EFZG, nach welchen der Arbeitgeber für die Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen hat, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Bezüglich der geltend gemachten Urlaubsabgeltung verwies das BAG auf die Regelung des § 11 BUrlG, nach welcher sich die Höhe des Urlaubsentgelts und einer Urlaubsabgeltung nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten 13 Wochen bestimmt (Referenzprinzip). Maßgeblich führte das BAG sodann aus, dass diese Regelungen auch dann Anwendung finden, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die – wie hier die MindestlohnVO – keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält. Ein Rückgriff des Arbeitgebers – so das BAG – auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung sei in diesen Fällen daher unzulässig.

Bewertung

Die Entscheidung ist angesichts des seit dem 01.01.2015 geltenden allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von besonderer praktischer Bedeutung. Die Ausführungen des BAG in der Pressemitteilung Nr. 30/15 lassen sich auch auf den Bereich des MiLoG anwenden. Das BAG hat zu Recht bei der Frage der Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung auf die stringente Anwendung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungsregelungen abgestellt.

Bei einer solch konsequenten Anwendung richtet sich die Höhe des aufgrund der gesetzlichen Vorschriften des EFZG und BUrlG aufrechterhaltenen Anspruchs auf Arbeitsentgelt für Zeiten von Feiertagen (§ 2 EFZG), Arbeitsunfähigkeit (§ 3 EFZG) oder Urlaub (§ 1 BUrlG) nach

den gesetzlichen Regelungen der § 2 Abs. 1, § 3 i.V.m. § 4 EFZG bzw. des § 11 BUrlG. Dies gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die – wie auch das MiLoG – keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält. Demgemäß ist einem Arbeitnehmer nach dem Entgeltausfallprinzip für die infolge eines Feiertags oder Arbeitsunfähigkeit ausfallende Arbeitszeit das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte, also der Höhe nach der Mindestlohn. Bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nach dem Referenzprinzip findet der Mindestlohn grundsätzlich durch die Ermittlung der durchschnittlichen mindestlohnpflichtigen Vergütung der letzten 13 Wochen Berücksichtigung.

Das MiLoG enthält auch weder von dem Entgeltausfall- und Referenzprinzip abweichende spezielle Regelungen, noch schränkt es die Vorschriften des EFZG und des BUrlG ein. Schließlich kann – abgesehen von der Ausnahme des § 4 Abs. 4 EFZG, wonach die Tarifparteien eine abweichende Bemessungsgrundlage für das fortzuzahlende Arbeitsentgelt festlegen dürfen – nach § 12 EFZG auch nicht von den Regelungen des EFZG zuungunsten der Arbeitnehmer durch die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer niedrigeren Vergütung abgewichen werden (vgl. zum Urlaub: § 13 BUrlG). Die Praxis hat sich daher darauf einzustellen, dass auch im Bereich des MiLoG der gesetzliche Mindestlohn die Berechnungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung bei Feiertagen, Krankheit und Urlaub bildet.

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