Dass bei der Formulierung von Stellenausschreibungen Vorsicht geboten ist, um sich nicht mit dem Vorwurf der Diskriminierung und damit einhergehenden Schadensersatzforderungen konfrontiert zu sehen, dürfte den allermeisten Arbeitgeber*innen mittlerweile bekannt sein. Das „(m/w/d)“ hinter der Positionsbezeichnung der ausgeschriebenen Stelle ist inzwischen weitestgehend Usus.

Weniger bekannt – aber keinesfalls weniger relevant – ist hingegen die Tatsache, dass auch im weiteren Bewerbungsverfahren penibel auf AGG-Konformität zu achten ist.

Jene mutmaßliche Unkenntnis kam ein bayrisches Unternehmen nun teuer zu stehen, wurde es doch mit Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. Dezember 2022 (Az.: 7 Sa 168/22) zu einer Entschädigungszahlung an einen abgelehnten Bewerber in Höhe von EUR 2.500,00 verurteilt, weil es diesen nach Ansicht des Gerichts aufgrund seines Geschlechts unmittelbar diskriminiert habe.

Doch der Reihe nach:

Die Ausschreibung der zu besetzenden Stelle durch das beklagte Unternehmen – ein Produzent von Modellautos – erfolgte jedenfalls mit Blick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch nahezu lehrbuchartig.

Gesucht wurde ein „Mitarbeiter (m/w/d) für unsere Digitaldruckmaschine“. Das Anforderungsprofil verlangte von potentiellen Bewerber*innen dabei u. a. „Fingerfertigkeit/Geschick“.

Auf diese Stelle bewarb sich im April 2021 der spätere Kläger, erhielt jedoch bereits am selben Tag eine Absage durch die Prokuristin der Beklagten. Mit dieser Absage nahm – aus Sicht des Unternehmens – das Unglück seinen Lauf.

Denn die Absage an den Bewerber wurde mit der letztlich folgenschweren Begründung versehen, die zu erbringenden Tätigkeiten seien „eher etwas für flinke Frauenhände“, weshalb man den Bewerber beim Auswahlprozess leider nicht berücksichtigen könne.

Rund sechs Wochen später machte der abgelehnte Bewerber gegenüber dem Unternehmen Entschädigungsansprüche in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern geltend.

(Erst) Daraufhin wurde der Bewerber doch noch zu einer Probearbeit eingeladen, zu welcher es jedoch nicht mehr kam.

Im Juni 2021 erhob der abgelehnte Bewerber Klage vor dem Arbeitsgericht Nürnberg und verlangte die Zahlung einer angemessenen Entschädigung, welche sich auf mindestens EUR 8.000,00 brutto belaufen sollte.

Die Beklagte versuchte erfolglos sich mit der Behauptung zu verteidigen, mit der in der Absage verwendeten Formulierung seien lediglich die für die Tätigkeit erforderliche Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit umschrieben worden. Man habe dadurch die herausragende Bedeutung kleiner Hände und feingliedriger Finger für die zu besetzende Stelle herausheben wollen. Grund für die Absage an den Kläger sei daher auch nicht dessen Geschlecht gewesen, sondern die Tatsache, dass die Hände des Bewerbers für derartige Präzisionsarbeiten schlicht zu groß seien. Zu diesem Ergebnis sei man nach Sichtung von im Internet frei zugänglichen Fotoaufnahmen des Klägers gelangt.

Das Arbeitsgericht Nürnberg folgte dieser Argumentation jedoch nicht, sondern bejahte eine nicht gerechtfertigte, unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts und verurteilte das beklagte Unternehmen zur Zahlung von EUR 3.300,00 an den Kläger.

Auch in der zweiten Instanz hatte die Beklagte nur in sehr begrenztem Ausmaß Erfolg. Das LAG Nürnberg bejahte ebenfalls eine unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung zu Lasten des Klägers. Lediglich die Höhe der Entschädigungszahlung wurde auf EUR 2.500,00 und damit 1,5 Bruttomonatsgehälter herabgesetzt.

Ausschlaggebend für die Absage sei die vermeintliche Lebenserfahrung der Prokuristin der Beklagten gewesen, wonach Frauen mit der zu erbringenden, kleinteiligen Arbeit regelmäßig besser zurechtkämen als Männer. Dies stelle jedoch eine verbotene Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechts dar, zumal ihm nicht einmal die Gelegenheit gegeben worden sei, jene Lebenserfahrung mittels Probearbeit zu widerlegen. Das spätere Angebot der Beklagtenseite an den Kläger, eine solche Probearbeit doch noch zu erbringen, habe dann maßgeblich dem Versuch gedient, eine Entschädigungsklage zu vermeiden und sei nicht Ausdruck eines ehrlichen Interesses an der Arbeitskraft des Klägers gewesen. Daher sei das entsprechende Beklagtenvorbringen unbeachtlich. Gerechtfertigt sei lediglich eine Herabsetzung der Entschädigungssumme.

 

Die Entscheidung zeigt, dass auch rund 17 Jahre nach Inkrafttreten des AGG immer noch nicht alle darin enthaltenen Fallstricke allgemein bekannt sind.

So muss beispielsweise nicht nur eine Stellenausschreibung diskriminierungsfrei erfolgen, sondern der gesamte Bewerbungsprozess und damit auch und gerade Absagen gegenüber abgelehnten Berwerber*innen dürfen sich nicht als verbotene Benachteiligung darstellen. Insbesondere Letzteres lässt sich dabei jedoch unproblematisch umsetzen. Denn eine arbeitgeberseitige Pflicht, erfolglosen Bewerber*innen eine – begründete oder unbegründete – Absage zu erteilen, sieht das Gesetz nicht vor.

Mag dem vollständigen Verzicht auf eine Absage noch das Gebot der Höflichkeit entgegenstehen, so sind un- oder allenfalls lose begründete Absageschreiben alles andere als eine Seltenheit. Zwar mag dies für betroffene Bewerber*innen im Einzelfall frustrierend sein. Nicht zuletzt die vorliegende Entscheidung zeigt aber, dass jedenfalls im Zweifelsfall Weniger Mehr sein kann.

Darüber hinaus gelten die Diskriminierungsverbote des AGG natürlich nicht nur im Bewerbungsverfahren, sondern sind im gesamten Arbeitsverhältnis jederzeit zu beachten.

Foto: Shutterstock / Tero Vesalainen

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