Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, welche die vergütungspflichtigen Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters verkürzen, sind wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam, wenn die betreffenden Zeiten nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags uneingeschränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind.

In dem dem Urteil zugrundeliegenden Fall verlangte ein Außendienstmitarbeiter die Gutschrift von sämtlichen An- und Abfahrtszeiten zum und vom Kunden, einschließlich der jeweils ersten und letzten Fahrt, als Arbeitszeit auf das Arbeitszeitkonto, hilfsweise Vergütung. Die Arbeitgeberin lehnte dies unter Verweis auf eine im Betrieb geltende Betriebsvereinbarung, wonach An- und Abfahrten zum ersten und vom letzten Kunden unter 20 Minuten nicht zur Arbeitszeit zählten, ab. Die Betriebsvereinbarung sehe vor, dass nur die 20 Minuten übersteigende Reisezeit als Arbeitszeit gelte. Insoweit seien 20 Minuten Fahrzeit dem Mitarbeiter zumutbar.

Die Arbeitgeberin war durch ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband an den Tarifvertrag des Groß- und Außenhandels Niedersachsen gebunden.

Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hielt das BAG die Revision für zulässig und begründet. Nach dem maßgeblichen Tarifvertrag seien sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten. Die Zeiten, die ein Außendienstmitarbeiter in Erfüllung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht für Fahrten zu und von Kunden aufwende, seien uneingeschränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung zu vergüten. Der Tarifvertrag regele die Vergütung von Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer abschließend und erhalte keine Öffnungsklausel zugunsten der Betriebsparteien.

Der in der Betriebsvereinbarung geregelte Ausschluss der Vergütung für jeweils 20 Minuten der Fahrtzeit zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause betreffe die tariflich abschließend geregelte Vergütung für geleistete Arbeit. Der Wortlaut der einschlägigen Regelung beziehe sich zwar nicht explizit auf die „Vergütung“ bestimmter Arbeitszeit. Jedoch werde durch die Regelung gerade ein bestimmter Umfang der Arbeitszeit – jeweils bis zu 20 Minuten der Anfahrts- und Abfahrtszeiten zum ersten bzw. vom letzten Kunden – nicht als Arbeitszeit bewertet. Es handele sich somit nicht um eine Regelung über Beginn und Ende der Arbeitszeit, sondern über die Vergütung bestimmter Fahrzeiten. Die Regelung in der Betriebsvereinbarung verstoße somit gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG.

In diesem Zusammenhang stellte das BAG klar, dass die Tarifsperre auch nicht durch ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aufgehoben sei. Da die Beklagte an den maßgeblichen Tarifvertrag gebunden sei, welcher die Vergütung für geleistete Arbeit auch in Bezug auf Fahrtzeiten der Außendienstmitarbeiter abschließend regele, bestehe insoweit schon kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Abschließend stellte das BAG fest, dass es sich mit der vorliegenden Entscheidung nicht in Widerspruch zu einer früheren Entscheidung (BAG v. 10.10.2006 –  1 ABR 59/05) stelle, in der es zu Ungunsten des Arbeitnehmers den Verstoß einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung gegen die Tarifsperre verneint hatte. In dem damals zu entscheidenden Fall habe die streitgegenständliche Regelung in einer Betriebsvereinbarung im Gegensatz zum hiesigen Fall keine durch Tarifvertrag abschließend geregelte Angelegenheit betroffen.

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