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  • Fristlose Kündigung eines ressortfremden Geschäftsführers wegen Gewährung unzulässiger Gehaltsvorteile für Betriebsratsmitglieder wirksam.
  • Ansprüche des Geschäftsführers auf Tantieme und Vergütung bleiben bis zum Wirksamwerden der Kündigung bestehen.

Der Fall – Bevorzugen von Betriebsratsmitgliedern durch den Geschäftsführer fliegt auf

Der Kläger war seit 2014 als (Mit-)Geschäftsführer eines städtischen Unternehmens für den öffentlichen Nahverkehr tätig. Innerhalb der mehrköpfigen Geschäftsführung waren die Zuständigkeiten nach Ressorts verteilt; der Kläger selbst war formal nicht für Personalangelegenheiten zuständig. Im Herbst 2021 erhielt die Stadt mehrere – teilweise anonyme – Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten im Personalbereich. Konkret ging es um Vergütungsanpassungen, insbesondere Höhergruppierungen und Zulagen für Betriebsratsmitglieder, für die offenbar keine objektiven Gründe vorlagen.

Zur Aufklärung der Vorwürfe beauftragte die Stadt eine externe Rechtsanwaltskanzlei mit einer umfassenden Untersuchung. Der Ende Februar 2022 vorgelegte Zwischenbericht bestätigte die Hinweise in wesentlichen Teilen. Auf dieser Grundlage beschloss der Aufsichtsrat Anfang März 2022, den Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers fristlos zu kündigen. Ihm wurde vorgeworfen, unzulässige Höhergruppierungen und Zulagen für Betriebsratsmitglieder grundlos abgesegnet zu haben und damit unzulässige Begünstigungen im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG bewirkt zu haben. Der Kläger indes bestritt ein Fehlverhalten und klagte gegen die Kündigung sowie auf vertraglich vereinbarte Vergütung sowie seine Tantieme.

Nach Auffassung der Gesellschaft hätte der Geschäftsführer aufgrund seiner Kenntnis von der internen Kommunikation zwischen Personalabteilung und dem zuständigem Mitgeschäftsführer Anlass gehabt, die Gehaltsentwicklungen kritisch zu hinterfragen und sicherzustellen, dass die Entscheidungen der Geschäftsführung der Rechtsordnung entsprechen.

Der Kläger bestritt ein pflichtwidriges Verhalten. Er erhob Klage gegen die fristlose Kündigung und verlangte zudem die Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung, insbesondere ausstehender Boni sowie seines Gehalts bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.

Die Entscheidung – Trotz fremden Aufgabenbereichs hätten Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen

Sowohl das Landgericht Wiesbaden als auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wiesen die Klage des Geschäftsführers ab und bestätigten die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung. Der Aufsichtsrat habe formell ordnungsgemäß über die Kündigung entschieden, und auch die gesetzliche Frist für eine fristlose Kündigung sei eingehalten worden.

Für die Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB ist der Zeitpunkt entscheidend, zu dem dem Arbeitgeber die kündigungsrelevanten Umstände bekannt werden. Nach Auffassung des Gerichts war dies erst mit dem Untersuchungsbericht der externen Kanzlei Ende Februar 2022 der Fall. Die Anfang März 2022 ausgesprochene Kündigung erfolgte damit fristgerecht. Auch formelle Einwände hatten keinen Erfolg: Der zugrunde liegende Aufsichtsratsbeschluss sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Einladung und Tagesordnung entsprachen den satzungsmäßigen Anforderungen, und es lag eine Vollversammlung vor.

In der Sache bejahte das OLG zudem das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die ausgesprochene Kündigung. Die beklagte Stadt hatte im Prozess gerichtliche Entscheidungen vorgelegt, aus denen sich die Unzulässigkeit mehrerer Höhergruppierungen und Zulagengewährungen für Betriebsratsmitglieder ergab. Dem Geschäftsführer gelang es nicht, diesen Vortrag zu entkräften, obwohl ihm dies aufgrund seiner Funktion möglich und zumutbar gewesen wäre. Für das Gericht fiel ins Gewicht, dass der Geschäftsführer in die Kommunikation mit der Personalabteilung involviert war und die Begünstigungen anschließend mit seiner Unterschrift absegnete. Zwar sei der Kläger nicht formell für das Personalressort zuständig gewesen, gleichwohl treffen auch einen ressortfremden Geschäftsführer umfassende Kontroll- und Überwachungspflichten, insbesondere wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlentwicklung bestehen.

Bis zur Beendigung des Geschäftsführerverhältnisses sind indes die zugesagten Vergütungsbestandteile, inklusive Tantiemen, zu zahlen. Die festgestellten Pflichtverletzungen des Klägers standen dem Tantiemenanspruch nicht entgegen. Solche Pflichtverstöße könnten zwar Gegenansprüche der Gesellschaft auslösen, führten aber nicht automatisch zum Verlust bereits entstandener Vergütungsansprüche. Ein besonders grober Vertrauensmissbrauch lag hier nicht vor. Nach Auffassung des Senats komme ein Ausschluss wegen Treuwidrigkeit nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht, die im Streitfall nicht gegeben seien.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Takeaways

Die Gerichte sahen in der Mitzeichnung unzulässiger, weil unbegründeter Gehaltsanhebungen für Betriebsratsmitglieder, einen gravierenden Pflichtenverstoß, der die außerordentliche Kündigung auch eines ressortfremden Geschäftsführers rechtfertigt. Denn Geschäftsführer tragen auch außerhalb ihres eigenen Ressorts eine Verantwortung für die Gesellschaft, wenn sie in Entscheidungen eingebunden sind oder Unregelmäßigkeiten erkennbar werden. Die Mitwirkung an rechtswidrigen, weil anlasslosen Vergütungsentscheidungen, kann daher eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Merle Steinhuber ist Associate im Berliner Büro von Ogletree Deakins.

Pauline von Stechow hat als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Berliner Büro von Ogletree Deakins zu diesem Artikel beigetragen.

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