Conceptual image of a person voting during elections

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein IT-Unternehmen, in dem bestimmte Teams in einer Matrixstruktur gebildet sind. Deshalb leiten viele Führungskräfte Teams, deren Mitglieder verschiedenen Organisationsbereichen und Betrieben des Unternehmens angehören.

Für die Betriebsratswahl im Betrieb „Region Süd“ hatte der Wahlvorstand 128 solcher „Matrix-Führungskräfte“, bei denen es sich nicht um leitende Angestellte handelte, als wahlberechtigt eingestuft, obwohl sie jeweils anderen „Stammbetrieben“ angehörten und arbeitsvertraglich regelmäßig ebenfalls anderen Standorten zugeordnet waren. Begründet wurde ihre Aufnahme in die Wählerliste des Betriebs „Region Süd“ damit, dass sie aufgrund der Matrixorganisation Mitarbeiter auch in diesem Betrieb fachlich führen.

Die Arbeitgeberin hingegen argumentierte, dass diese Führungskräfte nicht dem Betrieb „Region Süd“ angehörten und dort folglich nicht wahlberechtigt seien. Sie focht die Betriebsratswahl an. Die Vorinstanzen (ArbG Stuttgart, Beschluss vom 25. Oktober 2023, Az. 14 BV 112/22 sowie LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.06.2024, Az. 3 TaBV 1/24) gaben der Arbeitgeberin Recht und erklärten die Betriebsratswahl für unwirksam. In seiner Begründung führte das LAG Baden-Württemberg aus, dass die Matrix-Führungskräfte bereits einem anderen Betrieb zugeordnet und damit ausschließlich dort wahlberechtigt seien. Eine Vielfach-Wahlberechtigung würde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Mehrfach-Repräsentation im Gesamt- und Konzernbetriebsrat führen. Es entspreche der Grundvorstellung des Betriebsverfassungsgesetzes, dass ein Arbeitnehmer nur einem und nicht mehreren Betrieben angehören solle. Schließlich würden auch Praktikabilitätserwägungen dafür sprechen, dass Arbeitnehmer nur in demjenigen Betrieb wahlberechtigt sind, dem sie arbeitsvertraglich zur regelmäßigen Arbeitsleistung zugeordnet sind.

Hiergegen richtete sich die erfolgreiche Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zum BAG.

Entscheidung

Das BAG entschied, dass Matrix-Führungskräfte durchaus in mehreren Betrieben wahlberechtigt sein können. Die aktive Wahlberechtigung bei der Betriebsratswahl richte sich nach § 7 BetrVG, wonach alle „Arbeitnehmer des Betriebs“ wahlberechtigt sind. Die Zugehörigkeit zu einem Betrieb werde durch die Eingliederung in die Betriebsorganisation bestimmt. Nach Auffassung des BAG schließt die Wahlberechtigung eines Arbeitnehmers aufgrund seiner Eingliederung in einen bestimmten Betrieb – vorliegend den „Stammbetrieb“ – eine Eingliederung in einen weiteren Betrieb und damit auch eine dortige Wahlberechtigung nicht aus. Eine mehrfache Wahlberechtigung sei also grundsätzlich möglich. Das BAG hob deshalb den Beschluss der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das LAG zurück. Dieses wird nun zu klären haben, ob tatsächlich eine Eingliederung der „Matrix-Führungskräfte“ in den Betrieb Region Süd vorlag.

Hinweise und Folgen

Zudem wirft eine mehrfache Betriebszugehörigkeit betriebsverfassungsrechtlich weitere Fragen auf. Beispielsweise wird ein vorsichtiger Arbeitgeber bei der Kündigung von Matrix-Führungskräften künftig überlegen, abhängig vom Zuschnitt der Matrix vorsorglich auch den Gesamt- oder gar den Konzernbetriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören.

  • Matrix-Führungskräfte können in mehreren Betrieben wahlberechtigt sein und dadurch Einfluss auf die Zusammensetzung mehrerer Betriebsräte nehmen.
  • Dies bringt die Gefahr einer überproportionalen Repräsentanz ihrer Interessen im Vergleich zu Arbeitnehmern ohne Matrixfunktion mit sich. Mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentations- und Demokratieprinzip ist dies unseres Erachtens nur schwer vereinbar.
  • Zudem können Matrix-Führungskräfte dann konsequenterweise wohl auch mehreren lokalen Betriebsräten gleichzeitig angehören, da neben dem aktiven auch das passive Wahlrecht – also die Wählbarkeit – nach § 8 BetrVG an die Betriebszugehörigkeit anknüpft.
  • Unklar bleibt, ob auch Matrix-Führungskräfte, die vom Ausland aus tätig sind, bei Betriebsratswahlen in Inlandsbetrieben, in denen sie Mitarbeiter führen, wahlberechtigt sind.
  • Die Anerkennung einer mehrfachen Betriebszugehörigkeit kann für Arbeitgeber zu höheren Kosten führen. Denn sie dürfte auch für die Betriebsgröße relevant sein, wodurch die Anzahl der Betriebsratsmitglieder und in der Folge auch der Freistellungs- und Kostenaufwand steigen kann.

Bild: Adobe Stock

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