Nimmt eine arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist die Geltendmachung von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht aus, führt dies nicht zur vollständigen Unwirksamkeit der vereinbarten Ausschlussfrist. Die Ausschlussfrist ist vielmehr nur insoweit unbeachtlich, als Ansprüche auf Mindestlohn tangiert sind. LAG Nürnberg, Urt. v. 9.5.2017 – 7 Sa 560/16

Sachverhalt

Die Parteien stritten über Überstundenvergütung sowie Urlaubsabgeltung. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete am 31. Juli 2015. Mitte September 2015 verlangte der Arbeitnehmer von seinem früheren Arbeitgeber erstmals schriftlich Urlaubsabgeltung für 2014 und 2015 sowie Überstundenvergütung. Am 21. Januar 2016 erhob der Arbeitnehmer diesbezüglich Klage beim Arbeitsgericht.
Der Arbeitsvertrag enthielt in § 10 eine Ausschlussklausel, welche wie folgt lautete:
„Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Entscheidend ist der Zugang des Schreibens. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden.Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder äußert sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung, so ist der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. Ablauf der Zweiwochenfrist bei Gericht anhängig zu machen. Anderenfalls ist der Anspruch verfallen und kann nicht mehr geltend gemacht werden.“
Entscheidung

Das LAG Nürnberg entschied, dass die Ansprüche, welche durch den Arbeitnehmer eingeklagt wurden, bereits verfallen sind, da er nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist Klage erhoben hatte.Wie das LAG Nürnberg feststellte, sei die vertragliche Ausschlussfrist wirksam vereinbart worden. Sie sei nicht unwirksam nach § 3 Satz 1 MiLoG i.V.m. § 134 BGB.Nach § 3 Satz 1 MiLoG darf die Geltendmachung des Anspruchs auf Mindestlohn weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. Im Ergebnis dessen dürfen Ansprüche auf Mindestlohn einer Ausschlussfrist nicht unterworfen werden. Soweit die zitierte Klausel in § 10 des Arbeitsvertrages Ansprüche auf Mindestlohn erfasse, sei diese unwirksam. Diese Wirkung umfasse aber nicht die gesamte Ausschlussklausel, gleichwohl sie nicht zwischen Ansprüchen auf Mindestlohn und auf darüber hinausgehenden Lohn differenziert. Der Wortlaut des § 3 Satz 1 MiLoG mache deutlich, dass Vereinbarungen stets nur insoweitunwirksam seien, als sie die Geltendmachung von Mindestlohn beschränken oder ausschließen.Da Mindestlohnansprüche vorliegend nicht tangiert waren, fand die Ausschlussfrist, wie vereinbart, Anwendung, so dass die Ansprüche des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verfallen waren.

Anmerkung OD

Die Entscheidung des LAG Nürnberg ist zu begrüßen und stellt sich den seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes aufkommenden Stimmen entgegen, wonach arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen Ansprüche auf Mindestlohn ausdrücklich ausnehmen müssten. Anderenfalls sei die vereinbarte Ausschlussfrist insgesamt unwirksam.

Das LAG Nürnberg stützt sich zur Begründung zu Recht auf die Formulierung in § 3 Satz 1 MiLoG. Danach sind Vereinbarungen nur insoweit unwirksam, als sie die Geltendmachung von Mindestlohnansprüchen beschränken oder ausschließen. Soweit bei der Vereinbarung einer Ausschlussfrist nicht zwischen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Mindestlohn und auf darüber hinausgehenden Lohn differenziert wird, findet das Gebot der geltungserhaltenden Reduktion Anwendung, welches nur zu einer Teilunwirksamkeit führt.

Endgültige Klarheit über die ganz oder teilweise Unwirksamkeit von Vereinbarungen einer Ausschlussfrist, wenn Ansprüche auf Mindestlohn von der Anwendung nicht ausdrücklich ausgenommen worden sind, wird wohl erst die Entscheidung in dem nun anhängigen Revisionsverfahren beim Bundesarbeitsgericht (9 AZR 262/17) bringen. Bis dahin empfiehlt es sich für die Vertragspraxis, bei der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer Ausschlussfrist Ansprüche auf Mindestlohn hiervon explizit auszunehmen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nach einer Gesetzesänderung ab dem 1. Oktober 2016 in AGBs für die fristwahrende Geltendmachung von Ansprüchen nicht mehr die Schriftform oder elektronische Form, sondern nur noch die Textform nach § 126b BGB vorgeschrieben werden darf.

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