Sachverhalt
In zwei Verfahren hat das Bundesarbeitsgericht den EUGH um Vorabentscheidung zu unterbliebenen bzw. fehlerhaften Massenentlassungsanzeigen ersucht und Heilungsmöglichkeiten vorgeschlagen.
In einem vom BAG vorgelegten Verfahren wurde vor Ausspruch der Kündigungen trotz Überschreiten der Schwellenwerte der Agentur für Arbeit keine Massenentlassung angezeigt. Im zweiten Verfahren ist zwar eine Massenentlassungsanzeige erfolgt, jedoch war dieser keine abschließende Stellungnahme der Arbeitnehmervertreter beigefügt. Die Darlegungen zum Stand der Beratungen beschränkte sich ohne nähere inhaltliche Angaben auf die Angabe, dass das Konsultationsverfahren aufgenommen worden sei und fortgesetzt werde.
Entscheidungen des EUGH
Der EUGH hat den vom BAG vorgeschlagenen Heilungsmöglichkeiten bei fehlender bzw. fehlerhafter Massenentlassungsanzeige eine Absage erteilt und entschied zu den vorgelegten Fragen folgendes:
Die im Rahmen einer beabsichtigten Massenentlassung erfolgte Kündigung wird nicht vor Ablauf einer Frist von 30 Tagen ab Anzeige der Massenentlassung bei der zuständigen Behörde wirksam. Das setzt zwangsläufig voraus, dass der Arbeitgeber die beabsichtigte Massenentlassung bei der Behörde vor Ausspruch der Kündigung anzeigt.
Andernfalls, so der EUGH, würde das mit Art. 4 der Richtlinie 98/59 verfolgte Ziel, der Behörde zu ermöglichen, innerhalb dieser Frist nach Lösungen für die durch die Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen, gefährdet.
Darüber hinaus hat der EUGH entschieden, dass bei Kündigung unter Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige einer Massenentlassung die fehlende Anzeige nicht in der Weise nachgeholt werden könne, dass damit die Kündigung 30 Tage nach der Nachholung der Anzeige wirksam werden könne. Andernfalls würde die Abfolge der vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Verfahren und damit der vorgesehenen Pflichten in Frage gestellt.
Weiterhin hat der EUGH ausgeführt, dass eine Eingangsbestätigung der zuständigen Behörde nicht die Annahme rechtfertige, dass die Entlassungsanzeige korrekt oder vollständig erfolgt sei. Entsprechend kann die Ordnungsmäßigkeit einer Massenentlassungsanzeige ggf. auch dann noch in einem Gerichtsverfahren mit Erfolg gerügt werden, wenn die Agentur für Arbeit den Zugang oder gar deren Korrektheit bestätigt hat.
Fazit
Die Entscheidungen des EUGH zeigen, dass nach wie vor erhebliche Sorgfalt bei der Erstellung von Massenentlassungsanzeigen und Durchführung des Konsultationsverfahrens anzuwenden ist. Bei Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit droht nach wie vor das Risiko der Unwirksamkeit der Kündigungen, selbst wenn die Agentur für Arbeit die Ordnungsmäßigkeit der Anzeige bestätigt hat.
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