I. Was war passiert?

Der Kläger hatte als Mitarbeiter am Flughafen einen etwas ungewöhnlichen Arbeitsweg. Um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen, musste der Kläger in einem ersten Schritt eine Sicherheitskontrolle passieren. An diesem Kontrollpunkt fand auch eine Taschen- und Ausweiskontrolle statt. Anschließend musste der Kläger einen längeren Weg über das Betriebsgelände des Flughafens zurücklegen. Hierbei war der Kläger verpflichtet, eine Warnweste zu tragen und einen betrieblichen Shuttlebus zu nutzen. Dort angekommen, musste er sich zunächst umziehen. Erst danach durfte er die Stechuhr betätigen und mit der Arbeit beginnen.

Der Kläger begehrte Vergütung für den Zeitpunkt ab dem Passieren der Sicherheitskontrolle und berief sich darauf, dass Sicherheitskontrollen, die Wege auf dem Betriebsgelände und das Tragen der Warnweste durch arbeitgeberseitige Vorgaben geprägt und somit ihrem Kern nach fremdnützig sind. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht wies die Klage ab, woraufhin der Kläger Berufung einlegte.

II. Entscheidung des LAG

Das LAG bestätigte die zuvor ergangene Entscheidung des Arbeitsgerichts und die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das LAG argumentierte damit, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, wonach die Arbeitszeit grundsätzlich ab dem Betreten des Betriebsgeländes beginnt. Vielmehr ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Arbeitnehmer seinen ihm zugewiesenen Arbeitsplatz erreicht und seine tatsächliche Tätigkeit aufnehmen kann. Die Zeit, die für den Arbeitsweg aufgewendet werden muss (und als sogenannte Wegezeit nicht zu vergüten ist), umfasst üblicherweise also auch die Zeit für betriebliche Zugangskontrollen und Wege auf dem Betriebsgelände zum Arbeitsplatz.

Das LAG hat ferner ausgeführt, dass die Zeit für die Sicherheitskontrollen nicht ausschließlich im Arbeitgeberinteresse liegen. Diese Kontrollen werden aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ausgeführt und liegen insoweit im Interesse der Allgemeinheit. Anhaltspunkte, warum der Arbeitgeber diese zu vergüten hätte, ergeben sich für das LAG nicht. Der Arbeitgeber sorge vielmehr für das Einhalten der Vorschriften.

Darüber hinaus bestätigte das LAG die insoweit langjährige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), nach der Umkleidezeiten in der Regel nicht zu zahlen sind. Hiervon gibt es Ausnahmen, etwa wenn aus hygienischen Gründen ein Anlegen der Dienstkleidung nur im Betrieb erfolgen kann, oder wenn aufgrund sehr auffälliger Dienstkleidung ein Tragen dieser außerhalb des Betriebs den Arbeitnehmer*innen nicht zumutbar ist.

III. Hinweise für die Praxis

Mit der aktuellen Entscheidung führt das LAG Hessen die bisherige, langjährige Rechtsprechungslinie zu Wege- und Umkleidezeiten fort, setzt aber auch neue Akzente, gerade im Hinblick auf die Klarstellung, dass auch Zugangskontrollen nichts an dem genannten Grundsatz ändern. Wegezeiten liegen grundsätzlich in der Sphäre der Arbeitnehmer*innen. Daran ändert sich nichts, wenn die Wege teilweise auf einem großen Betriebsgelände zurückgelegt werden oder zusätzliche Maßnahmen wie Sicherheitskontrollen, das Tragen einer Warnweste oder die Nutzung eines firmeneigenen Shuttlebusses erforderlich sind.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig – die Revision zum BAG ist anhängig.

Die Entscheidung ist vor allem für Arbeitgeber mit großen Betriebsgeländen oder sicherheitstechnischen Vorgaben von Bedeutung, bei denen unter Umständen im Vorfeld des Arbeitsbeginns aufwendige organisatorische Abläufe stattfinden müssen.

Bild: Adobe Stock

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