Worum ging es?

Der Kläger wurde zum 7. März 2024 als Sicherheitsmitarbeiter bei der Beklagten eingestellt. Bereits wenige Tage nach Arbeitsbeginn ließ er am 13. März 2024 eine „Erklärung gemäß § 15 Abs. 3b KSchG“ notariell beglaubigen, in der er seine Absicht bekundete, im Betrieb der Beklagten einen Betriebsrat zu gründen. Am 20. März 2024, mithin rund zwei Wochen nach seiner Einstellung, erkundigte sich der Kläger bei einem Mitarbeiter der Beklagten per E-Mail nach der Existenz eines Betriebsrats und teilte mit, dass er dessen Gründung beabsichtige, sollte noch kein Betriebsrat bestehen. Dazu bat er um Übersendung eines Verzeichnisses der wahlberechtigten Arbeitnehmer.

Am Folgetag sprach die Beklagte eine ordentliche Probezeitkündigung aus. Der Kläger erhob am 9. April 2024 Kündigungsschutzklage. Erst mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2024 hat er zur Existenz seiner „Erklärung gemäß § 15 Abs. 3b KSchG“ vorgetragen. Er sah in der Kündigung einen Verstoß gegen das Verbot der Behinderung einer Betriebsratswahl (§ 20 Abs. 1 BetrVG) sowie gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) und berief sich auf den besonderen Kündigungsschutz für Vorfeldinitiatoren einer Betriebsratswahl (§ 15 Abs. 3b KSchG).

Die Beklagte argumentierte u. a., der Kläger könne sich nicht auf den Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG berufen, da dieser erst nach Ablauf der Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG in Betracht komme. Zudem wendete sie ein, der Kläger habe erst Monate nach Klageerhebung zum Vorliegen der notariell beglaubigten Erklärung vorgetragen, sodass sein Berufen auf diesen Kündigungsschutz verwirkt sei.

Das Arbeitsgericht München hat der Klage erstinstanzlich stattgegeben. Es führte aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG erfüllt seien und die Vorschrift keinen zeitlichen Anwendungsvorbehalt enthalte. Es sei dem Kläger auch nicht verwehrt, sich erst später auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen, da die Vorschrift auch hierfür keine Frist vorsehe.

Wie hat das LAG München entschieden?

Das LAG München hob dieses Urteil jedoch auf.

Es führte aus, dass die Auslegung des § 15 Abs. 3b KSchG dazu führt, dass der besondere Kündigungsschutz nach dieser Vorschrift nur für Kündigungen im zeitlichen Anwendungsbereich des KSchG gilt. Dies zeige bereits die Wortlautauslegung, da § 15 Abs. 3b KSchG sich terminologisch am § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG orientiere, wenn die Vorschrift davon spricht, dass Kündigungen ausgeschlossen werden sollen, soweit sie aus Gründen erfolgen, „die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen“. Für Kündigungen in der Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG müssen allerdings keine Kündigungsgründe vorliegen, sodass eine solche sprachliche Differenzierung keinen Sinn ergeben würde. Bestätigt werde diese Auslegung dadurch, dass die übrigen Absätze des § 15 KSchG ordentliche Kündigungen generell ausschließen. Der Gesetzgeber wollte also im Gegensatz dazu für die sogenannten Vorfeldinitiatoren die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung nicht generell ausschließen.

Darüber hinaus stellte das LAG zudem fest, dass der Kläger einen solchen etwaigen Sonderkündigungsschutz auch verwirkt habe, weil er die Beklagte erst mehr als sechs Monate nach Kündigungsausspruch über das Vorliegen einer notariell beglaubigten Erklärung nach § 15 Abs. 3b KSchG unterrichtete. Das LAG gestand zwar ein, dass das Gesetz keine ausdrückliche Offenbarungsobliegenheit und auch keine Fristen für eine solche Offenbarung durch den Arbeitnehmer benennt. Es knüpfte jedoch an die vergleichbare Situation im Falle eines Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen an, in dem für die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung an die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG angeknüpft wird. Zu berücksichtigen sei auch die zeitliche Befristung des Sonderkündigungsschutzes gem. § 15 Abs. 3b KSchG auf lediglich drei Monate. Der Kläger habe sich aber weder innerhalb von drei Wochen noch innerhalb von drei Monaten auf seinen Sonderkündigungsschutz berufen und habe ihn vor diesem Hintergrund verwirkt.   

Da entscheidungserhebliche Rechtsfragen insbesondere zu § 15 Abs. 3b KSchG grundsätzliche Bedeutung haben, hat das LAG die Revision zugelassen.

Bedeutung für die Praxis

Das LAG München zeigt mit dieser Entscheidung auf, dass ein Sonderkündigungsschutz im Zusammenhang mit einer „Betriebsratsbetätigung“ nicht absolut besteht. Zutreffend wird zwischen § 15 Abs. 3b KSchG und dem Wortlaut der übrigen Absätze des § 15 KSchG differenziert und auf die Sonderstellung der sog. Vorfeldinitiatoren hingewiesen. Ungeachtet des Umstands, dass die zeitliche Abfolge des Vorgehens des Klägers im Streitfall durchaus Fragen aufwirft, berücksichtigt das LAG zutreffend den mit der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG verfolgten Zweck der Erprobung und bringt diesen in Einklang mit dem Recht der Belegschaft auf Errichtung eines Betriebsrats. Es weist nämlich darauf hin, dass es keine unzumutbare Einschränkung für einen Arbeitnehmer bedeute, die Betriebsratsgründung erst nach Ablauf der Wartezeit anzugehen, zumal es in der Regel einige Zeit dauere, um die Interessen der Belegschaft kennenzulernen und Mitstreiter zu finden.  

Auch die Ausführungen des LAG zur Verwirkung sind zu begrüßen. So liegt insbesondere die Parallele zum Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen nahe. Zutreffend bezieht sich das LAG hier auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22.09.2016 2 AZR 700/15), welches bereits in der Vergangenheit festgestellt hat, dass das Berufen auf den – dem Arbeitgeber nicht bekannten – Sonderkündigungsschutz der Verwirkung unterliege.

Abzuwarten bleibt jedoch, ob das Bundesarbeitsgericht im Rahmen einer Revision ebenfalls Gelegenheit erhält, dazu Stellung zu nehmen.

Bild: Adobe Stock

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