Quick Hits

  • Das Einwurf-Einschreiben ist kein Anscheinsbeweis für den Zugang eines Schreibens
  • Nach erneuter Krankheit müssen Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein erneutes betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) ermöglichen

Der Fall – Eingliederung eines langzeitig erkrankten Arbeitnehmers

Im Streitfall ging es um die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung. Die Arbeitgeberin (Beklagte) hatte dem häufig erkrankten Arbeitnehmer (Kläger) eine Einladung zum bEM per Einwurf-Einschreiben geschickt. Es war streitig, ob dieses Schreiben dem Arbeitnehmer zugegangen ist.

Die Entscheidung – krankheitsbedingte Kündigung trotz negativer Gesundheitsprognose unwirksam

Das Arbeitsgericht Hamburg stellte in erster Instanz die Unwirksamkeit der Kündigung fest, da der Arbeitgeber den Zugang der bEM-Einladung nicht nachweisen konnte. Die ordentliche Kündigung sei daher nicht das mildeste Mittel.

Das LAG Hamburg bestätigte das Urteil. Zwar könne eine negative Gesundheitsprognose und eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung festgestellt werden, die Kündigung sei aber unverhältnismäßig, wenn der Arbeitnehmer keine erneute bEM-Einladung erhalten hat.

So auch in diesem Fall. Der Arbeitgeber konnte nicht darlegen oder beweisen, dass ein erneutes bEM-Verfahren die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht hätte verhindern können.

Allein die Vorlage des Ein- und Auslieferungsbelegs reiche nicht aus, um einen Anscheinsbeweis für den Zugang der bEM-Einladung zu erbringen. Maßgeblich sei der folgende übliche Zustellablauf bei der Deutschen Post:

  1. Der Postangestellte scannt den Brief,
  2. unterschreibt auf dem Eingabefeld seines Scanners und
  3. wirft den Brief in den Briefkasten.

Ein typischer Geschehensablauf, der einen Anscheinsbeweis begründen könnte, liegt laut Gericht nicht vor. Es sei möglich, dass der Postbote mehrere Briefe in der Hand halte und bei der Zustellung abgelenkt sei. Es sei in diesem Zusammenhang nicht typisch, direkt nach Scannen eines Briefs diesen auch in den entsprechenden Briefkasten zu werfen.

Das LAG hat daher einen Anscheinsbeweis verneint. Die ordentliche Kündigung sei unwirksam.

Takeaways

Für die krankheitsbedingte Kündigung kommt es nicht nur auf die negative Gesundheitsprognose und die erhebliche betriebliche Beeinträchtigung an, sondern auch, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erneut eingeladen hat.

Arbeitgeber müssen bei der Zusendung von wichtigen Schreiben, z. B. Kündigungsschreiben, beachten, dass der Ein- und Auslieferungsbeleg regelmäßig nicht für einen Anscheinsbeweis des Zugangs ausreicht. Zu empfehlen bleiben die persönliche Übergabe, oder die Zustellung per Gerichtsvollzieher oder Boten, was regelmäßig als belastbarer Zugangsbeweis vor Gericht gilt.

Karl Melzer ist Associate im Berliner Büro von Ogletree Deakins.

Pauline von Stechow hat als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Berliner Büro von Ogletree Deakins zu diesem Artikel beigetragen.

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