Bürokratieentlastungsgesetz IV
Zum 1. Januar 2025 trat das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) in Kraft. Ziel ist es, bürokratische Hürden abzubauen und insbesondere Arbeitgeber zu entlasten. Bereits im März und November 2024 berichteten wir ausführlich über die geplanten Änderungen, die das Gesetz mit sich bringt, um den Arbeitsalltag zu modernisieren und zu vereinfachen. Hier noch einmal die wichtigsten Punkte im Überblick:
Formerleichterungen im Nachweisgesetz
Die 2022 eingeführten Formvorschriften des Nachweisgesetzes werden mit dem BEG IV teilweise entschärft. Wesentliche Arbeitsbedingungen und Änderungen müssen nicht mehr in Schriftform (d.h. eigenhändige Unterschrift) ausgehändigt werden, sondern können in Textform abgefasst und übermittelt werden. Der Abschluss unbefristeter Arbeitsverhältnisse kann hierdurch vollständig digital erfolgen, wenn der Arbeitsvertrag in Textform vereinbart wird. Eine E-Mail mit eingescannter Unterschrift kann künftig für unbefristete Arbeitsverhältnisse genügen. Erforderlich ist, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer speicherbar, zugänglich und ausdruckbar sind. Zudem muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin mit der Übermittlung auffordern, einen Empfangsnachweis zu erteilen. Für bestimmte Branchen – aufgelistet in § 2a SchwarzArbG – gelten diese Neuerungen allerdings nicht. Für diese bleibt die eigenhändige Unterschrift weiterhin erforderlich.
Befristungen bleiben streng geregelt
Während es bei unbefristeten Verträgen Erleichterungen gibt, bleibt für Befristungen die Schriftform grundsätzlich geboten. Nach wie vor müssen solche Abreden schriftlich fixiert werden, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Eine rein elektronische Befristung ist auch 2025 unzulässig und angreifbar. Die Ausnahme stellt hier die arbeitsvertragliche Altersbefristung dar, für welche künftig auch die Textform ausreicht. Insofern hat der Gesetzgeber die Kritikpunkte am Gesetzesentwurf aufgenommen. Wäre die Schriftform auch für die sog. Altersbefristung bei Erreichung des Renteneintrittsalters aufrechterhalten worden, würde kein Arbeitgeber die Bürokratieentlastung sorgenfrei nutzen können. Fast alle unbefristeten Verträge enthalten vorsorglich eine Befristung auf das Erreichen des Renteneintrittsalters, da das Arbeitsverhältnis nicht automatisch endet, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Rente beziehen (können).
Elektronische Arbeitszeugnisse
Neu ist, dass Arbeitgeber Arbeitszeugnisse nun elektronisch ausstellen dürfen, sofern eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet wird und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zustimmen. Zur Überprüfung der Gültigkeit der e-Signatur eines PDF hat die EU-Kommission ein allgemeines Tool geschaffen, welches wir an dieser Stelle gerne empfehlen. Wie die Option der elektronischen Ausstellung von Arbeitszeugnissen in der Praxis angenommen wird, bleibt nicht nur aufgrund des umfangreicheren Verfahrens abzuwarten. Werden Arbeitszeugnisse elektronisch unterzeichnet, ist der Zeitpunkt der elektronischen Unterschrift unveränderlich erkennbar und die übliche Rückdatierung auf das Austrittsdatum nicht möglich. Eine etwaige Diskrepanz zwischen dem genannten Ausstellungs- und Unterzeichnungsdatum und damit Rückschlüsse auf eine vermeintlich nicht einvernehmliche Trennung wären dann nicht zu verbergen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können aber auch weiterhin die Ausstellung in der klassischen Papierform verlangen, wenn sie diese bevorzugen.
Keine Änderungen bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen
Für Kündigungen und Aufhebungsverträge gilt unverändert die Schriftform. Diese müssen eigenhändig unterschrieben werden – elektronische Formate sind hier ausdrücklich ausgeschlossen.
Inkrafttreten erster Regelungen des AI Act
Anfang August 2024 ist mit dem AI Act der EU das weltweit erste umfassende Gesetz zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz in Kraft getreten. Die Verordnung stuft KI-Systeme nach ihrem Risiko ein und stellt entsprechend abgestuft Standards und Anforderungen für diese auf. Die meisten Regelungen richten sich dabei an die Entwickler der Systeme, allerdings treffen auch die Verwender Pflichten. Die Einzelheiten der Verordnung und wie Arbeitgeber sich bereits jetzt auf die Neuerungen vorbereiten können, haben wir schon einmal für Sie zusammengefasst. Einer Umsetzung der europäischen Verordnung ins nationale Recht bedarf es dabei nicht, die einzelnen Regelungen treten gestaffelt in den nächsten Jahren in Kraft.
Zunächst beginnt am 2. Februar 2025 die Anwendbarkeit der Vorschriften zur unzulässigen Anwendung von künstlicher Intelligenz. Art. 5 des AI-Acts führt verschiedene Arten von KI-basierten Praktiken auf, deren Anwendung grundsätzlich verboten ist. Beispiele hierfür sind Systeme zum Social Scoring oder zur Überwachung von Emotionen am Arbeitsplatz. Diese verletzen nach Ansicht des EU-Gesetzgebers zentrale europäische Werte, dabei vor allem Grundrechte, und sind als breites Risiko nicht hinnehmbar.
Ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie treten mit dem 2. August 2025 die Regelungen zu KI-Modellen mit einem allgemeinen Verwendungszweck in Kraft. Solche Modelle sind nicht auf einen Anwendungszweck beschränkt, sondern weisen eine Allgemeingültigkeit auf und sind in der Lage, eine breite Palette unterschiedlicher Aufgaben kompetent auszuführen (bekannt hier v.a. ChatGPT). Die Anbieter derartiger Modelle müssen sicherstellen, dass Urheberrechte eingehalten werden, detaillierte technische Aufzeichnungen über die Entwicklung und Tests ihrer KI führen und diese anderen Unternehmen, welche ihr Modell nutzen wollen, zur Verfügung stellen. Für Anbieter von KI-Modellen, die quelloffen sind und der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen, ohne aber ein systemisches Risiko darzustellen, gilt eine reduzierte Pflicht dahingehend, dass diese das Urheberrecht einhalten und eine Zusammenfassung der Trainingsdaten veröffentlichen müssen.
Zusätzlich finden ab dem 2. August 2025 die Sanktionsvorschriften des AI-Act mit Ausnahme der Geldbußen für Anbieter von KI-Modellen mit einem allgemeinen Verwendungszweck Anwendung.
Selbstbestimmungsgesetz
Kurz vor dem Jahreswechsel ist noch das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft getreten. Es erleichtert transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen die Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihrer Vornamen im Personenstandsregister. Dies hat auch Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. So sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, auf Verlangen der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sämtliche relevanten Dokumente anzupassen. Dazu gehören beispielsweise Arbeitsverträge, Zeugnisse, Leistungsnachweise und Zahlungskarten.
Wurde der Geschlechtseintrag oder Vorname geändert, dürfen frühere Angaben ohne Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weder offenbart noch recherchiert werden. Ein Verstoß gegen dieses Offenbarungsverbot kann ein Bußgeld von bis zu EUR 10.000 nach sich ziehen.
Neuer Anlauf Entwurf zur Anpassung des Entgelttransparenzgesetzes
Die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz (RL (EU) 2023/970) verfolgt das Ziel geschlechtsspezifische Lohnunterschiede zu verringern und Lohngleichheit zu fördern. Sie ist seit dem 17. Mai 2023 in Kraft und muss bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Ein Referentenentwurf war bereits für den Sommer 2024 angekündigt, ohne jedoch, dass dieser bis zum Jahresende veröffentlicht worden ist. Angesichts des notwendigen Vorlaufes eines Gesetzgebungsverfahrens und den Unternehmen einzuräumender Vorbereitungszeit auf die weitreichenden Änderungen, ist zu erwarten, dass sich eine neue Bundesregierung zeitnah der Sache annehmen wird. Deutschland wird sich bei der Umsetzung voraussichtlich eng an der Richtlinie orientieren.
Die Richtlinie sieht für Arbeitgeber künftig die Verpflichtung vor, Bewerbenden Informationen zu Einstiegsgehältern oder Gehaltsspannen bereitzustellen – entweder direkt in Stellenanzeigen oder spätestens vor einem Vorstellungsgespräch. Fragen nach früheren Gehaltsentwicklungen sind hingegen nicht mehr erlaubt. Beschäftigte haben zudem Anspruch auf umfassende Informationen zu Entgeltkriterien, individuellen Vergütungen und Durchschnittsgehältern, getrennt nach Geschlecht und Beschäftigtengruppen. Diese Auskünfte müssen unabhängig von der Unternehmensgröße innerhalb von zwei Monaten schriftlich erteilt werden.
Auch die Berichtspflichten werden ausgeweitet: Unternehmen mit bereits mindestens 100 Mitarbeitenden müssen zukünftig regelmäßig Berichte zu entgeltbezogenen Indikatoren wie dem geschlechtsspezifischen Entgeltgefälle erstellen. Stellen solche Berichte ein nicht zu begründendes Lohngefälle zwischen den Geschlechtern von mehr als 5 % fest, ist eine Entgeltbewertung erforderlich, die in der Regel gemeinsam mit dem Betriebsrat oder einem alternativen Gremium durchgeführt wird.
Für Verstöße ordnet die Richtlinie schwerwiegende Konsequenzen an: Betroffene können Schadensersatz oder Entschädigungen verlangen, und Arbeitgeber tragen die Beweislast, dass keine Diskriminierung vorliegt. Zusätzlich drohen Bußgelder. Gewerkschaften und Antidiskriminierungsstellen erhalten ein Klagerecht, um Betroffene aktiv zu unterstützen oder stellvertretend für sie zu klagen.
Arbeitgeber sollten bereits jetzt mit den Vorbereitungen beginnen, um diese Änderungen künftig bestmöglich zu erfüllen. Informationen hierzu haben wir bereits im April 2023 und August 2024 für Sie zusammengestellt.
Berufsvalidierung: Neue Chancen für berufserfahrene Mitarbeiter ohne Abschluss
Das Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG), welches seit dem 1. August 2024 gilt, schafft ab Januar 2025 die Möglichkeit, berufliche Kompetenzen von Personen ohne formalen Abschluss offiziell anerkennen zu lassen. Ziel ist es, die Fähigkeiten anhand der Ausbildungsordnung eines Referenzberufs zu bewerten und in einem IHK-Zeugnis zu bescheinigen, wie weit diese mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung vergleichbar sind. Wichtig: Für Fortbildungsabschlüsse wie den Meister ist eine Berufsvalidierung nicht möglich.
Das Verfahren richtet sich an Erwachsene, die:
- über mehrjährige Berufserfahrung verfügen,
- keinen formalen Berufsabschluss in ihrem ausgeübten Beruf haben,
- einen Nachweis über ihre beruflichen Kompetenzen anstreben und
- für die eine Externenprüfung derzeit nicht infrage kommt.
Das BVaDiG bietet Arbeitgebern eine wertvolle Möglichkeit, das Potenzial ihrer Belegschaft besser zu nutzen. Langjährig tätige Mitarbeiter, die keinen formalen Abschluss vorweisen können, erhalten durch das Validierungsverfahren die Chance, ihre Fähigkeiten offiziell anerkennen zu lassen. Dies stärkt nicht nur die Motivation der Mitarbeiter, sondern erhöht auch deren Einsatzmöglichkeiten im Betrieb.
Darüber hinaus können Arbeitgeber durch die Berufsvalidierung bestehendes Know-how im Unternehmen sichern und potenzielle Lücken bei der Fachkräftesicherung schließen.
Weitere relevante Neuerungen haben wir in der gebotenen Kürze für Sie zusammengefasst:
- Wie in den letzten Jahren üblich geworden, wird zum Stichtag des 1. Januar 2025 der Mindestlohn angehoben. Steigen wird dieser von EUR 12,41 pro Stunde auf EUR 12,82. Gleichzeitig erhöht sich die Minijob-Grenze von bisher EUR 538 auf EUR 556 brutto. Die Vorschläge für die weitere Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns von der unabhängigen Mindestlohnkommission sind im Juni 2025 zu erwarten.
- Mit dem Wachstumschancengesetz wird § 34 Einkommensteuergesetz geändert und damit die Abrechnung von Abfindungen für Arbeitgeber erleichtert. Bisher war die steuerliche Begünstigung der Abfindung als hohe Einmalzahlung durch nur teilweise Berücksichtigung beim Jahreseinkommen vom Arbeitgeber in der Lohnabrechnung vorzunehmen. Mit Beginn des neuen Jahres muss der Arbeitsgeber die sog. Fünftelregelung für Abfindungen nicht mehr beachten, sondern kann diese ohne Besonderheiten abrechnen. Die weiterhin bestehende Privilegierung der Abfindung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber im Rahmen der Veranlagung zur Einkommenssteuer geltend machen.
- Für Geburten ab dem 1. April 2025 sinkt die Einkommensgrenze, ab der Eltern keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben, von EUR 200.000 auf EUR 175.000. Dies Grenze gilt gleichermaßen für Paare und Alleinerziehende. Weiterhin gilt, dass grundsätzlich ein gleichzeitiger Bezug des Basiselterngeldes nur für maximal einen Monat und nur innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate des Kindes möglich ist.
- Durch die Neufassung des Postgesetzes wird der Post mehr Zeit für den Transport von Briefen eingeräumt. Bisher mussten 95 Prozent der Briefsendungen zwei Werktage nach der Einlieferung angekommen sein, 80 Prozent schon am folgenden Werktag. § 18 I PostG bestimmt jetzt nur noch, dass 95% aller Briefsendungen am dritten Werktag nach der Einlieferung, am vierten 99% zugestellt sein müssen. Laut der Deutschen Post AG wird sich der Standard bei gewöhnlichen Briefsendungen dahingehend verschieben, dass diese in der Regel am übernächsten Werktag zugestellt werden. Zugleich erhöht die Deutsche Post AG mit dem 1. Januar die Portopreise.
- Mit dem Jahreswechsel werden ebenfalls die Sätze für die Mindestausbildungsvergütung angehoben. Im ersten Ausbildungsjahr erhalten Lehrlinge künftig monatlich EUR 682 pro Monat (2024: EUR 649), im zweiten Lehrjahr EUR 805 statt wie bisher EUR 766. Im dritten Ausbildungsjahr beträgt diese dann mindestens EUR 921 (2024: EUR 876) und im vierten Lehrjahr können die angehenden Fachkräfte mit mindestens EUR 955 (2024: EUR 909) rechnen.
- Für verschiedene Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden, sowie für verschieden Dienstleistungen, die an Verbraucherinnen und Verbraucher nach dem 28. Juni 2025 erbracht werden, gelten dann die Regelungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Unter anderem der Online-Handel, Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr und elektronische Kommunikationsdienste müssen barrierefreier zugänglich sein. Kleine Unternehmen sind von den Pflichten ausgenommen.
- Die Bundesregierung hat beschlossen, die maximale Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld auf 24 Monate zu verdoppeln. Diese Regelung ist am 1. Januar in Kraft getreten und ist bis zum 31. Dezember 2025 befristet. Ab dem Jahr 2026 gilt wieder die reguläre Bezugsdauer von maximal zwölf Monaten. Ansprüche, die über diesen Zeitraum hinausgehen, verfallen mit Ablauf des 31.12.2025. Mit dieser Maßnahme reagiert die Bundesregierung auf den Anstieg der Kurzarbeit in Deutschland.
Über diese und weitere Entwicklungen werden wir Sie regelmäßig auf dem Laufenden halten. Wir wünschen Ihnen ein frohes und erfolgreiches neues Jahr 2025!
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