Die Bundesregierung hat das Anhörungsverfahren zur Einführung des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes eingeleitet. Die geplanten Regelungen basieren auf dem von der Bundesregierung bereits am 30. November 2022 veröffentlichtem Eckpunktepapier. Ziel des neuen Gesetzesentwurfs ist es, branchenübergreifend die Fachkräfteeinwanderung in Deutschland zu stärken. Bildungschancen sollen verbessert sowie Aus- und Weiterbildung gezielt vorangebracht werden. Zudem sollen niederschwellige und transparente Einwanderungsvoraussetzungen und Integrationsangebote dazu beitragen, insbesondere Fachkräften aus Drittstaaten eine Zukunft in Deutschland zu bieten und damit zur Fachkräftesicherung beizutragen.
Die Grundlagen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes aus dem Jahr 2020 sollen zukünftig auf drei Säulen beruhen: der Fachkraft-Säule, der Erfahrungs-Säule und der Potential-Säule.
1. Säule – Fachkraft-Säule
Die Fachkräftesäule bleibt – wie bisher gehabt – das zentrale Element der Einwanderung. Den klassischen „Einwanderungsweg“ über einen in Deutschland anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss wird es weiterhin geben. Davon umfasst ist auch die Blaue Karte EU für ausländische Hochschulabsolventen. Die Blaue Karte EU soll zukünftig für noch mehr Abschlüsse anerkannt werden und bestehende Gehaltsgrenzen für Regel- und Engpassberufe deutlich merkbar gesenkt werden. Die Mindestgehaltsgrenze für die Blaue Karte EU (ausgenommen für Mangelberufe) für das Jahr 2023 wurde für das Jahr 2023 auf EUR 58.400 brutto hochgesetzt (für das Jahr 2022 lag diese noch bei EUR 56.400 brutto). Zudem soll eine niedrigere Mindestgehaltsschwelle für Berufsanfänger*innen mit akademischen Abschluss eingeführt werden, um somit die Berufsaufnahme in Deutschland für Einsteiger zu erleichtern.
Zudem soll eine anerkannte Qualifikation zukünftig zu jeder qualifizierten Beschäftigung in nicht reglementierten Berufen berechtigen. Der Einschätzung des Arbeitgebers, ob eine Qualifikation zu der qualifizierten Beschäftigung befähigt, wird somit mehr Gewicht verliehen. Darüber hinaus soll bereits eine teilweise Gleichwertigkeit die grundsätzliche Vergleichbarkeit eines ausländischen mit einem inländischen Abschluss bescheinigen.
2. Säule – Erfahrungs-Säule
Neben den Fachkräften soll unter bestimmten Voraussetzungen auch qualifizierten Drittstaatsangehörigen ohne vorherige formale Anerkennung ihres Abschlusses die Erwerbsmigration nach Deutschland ermöglicht werden.
Die Einwanderung in nicht-reglementierten Berufen soll erleichtert werden. Eine mindestens zweijährige nachgewiesene Berufserfahrung in dem Beruf, der letztendlich in Deutschland ausgeübt werden soll, soll als Voraussetzung für den Aufenthalt zur Ausübung einer Beschäftigung genügen. Erforderlich sei darüber hinaus, dass der Berufs- oder Hochschulabschluss in dem Land, in dem er erworben wurde, staatlich anerkannt ist. Eine Feststellung der Gleichwertigkeit des Abschlusses mit einem Referenzberuf in Deutschland soll jedoch nicht erforderlich sein.
Eine weitere Neuerung ist, dass IT-Spezialisten auch ohne anerkannten Hochschulabschluss eine Blaue Karte EU erhalten können, wenn sie bestimmte non-formale Qualifikationen nachweisen können.
Qualifizierte Drittstaatsangehörige sollen auf der Grundlage einer Anerkennungspartnerschaft die Möglichkeit bekommen, bereits vor Einleitung eines Anerkennungsverfahrens in Deutschland im berufsfachlichen Zusammenhang des voraussichtlichen Zielberufs in Deutschland beschäftigt zu werden.
3. Säule – Potential-Säule
Drittstaatsangehörige, die noch keinen Arbeitgeber in Deutschland haben, sollen mit der Chancenkarte neue Möglichkeiten zur Arbeitsplatzsuche erhalten. Die Chancenkarte wird auf Basis eines Punktesystems für einen Maximalzeitraum von einem Jahr vergeben. Zu den punktegebenden Auswahlkriterien gehören unter anderem, Sprachkenntnisse, Berufserfahrungen, ein etwaiger Bezug zu Deutschland, sowie das Alter. Drittstaatsangehörige, die über eine als gleichwertig anerkannte Qualifikation verfügen, erhalten die Chancenkarte ohne weitere Voraussetzungen. Bei einer Teilanerkennung der des Abschlusses soll ein erleichterter Zugang ermöglicht werden.
Auch sollen während der Arbeitssuche eine zweiwöchige Probebeschäftigung in Vollzeit sowie eine Nebenbeschäftigung von 20 Stunden pro Woche erlaubt sein.
Als weitere Regelungsbereiche sieht der Gesetzesentwurf unter anderem die Entfristung sowie Anhebung der Kontingentierung der Westbalkanregelung vor. Für die Ausübung qualifizierter Beschäftigung soll zudem das nationale Visum (§ 6 Abs. 3 AufenthG) zukünftig für die Dauer von einem Jahr (statt aktuell bis zu drei bzw. sechs Monaten) ausgestellt werden.
In bestimmten Fällen haben Arbeitgeber nur vorübergehenden Bedarf, unabhängig von besonderen Qualifikationsanforderungen. Hierfür soll eine kurzzeitig befristete Beschäftigung erlaubt werden. Die Anzahl wird kontingentiert und der Schutz der Beschäftigten durch Tarifverträge und eine Sozialversicherungspflicht sichergestellt.
Ein festes Datum, an dem das neue Gesetz in Kraft treten soll, besteht derzeit noch nicht. Über weitere Entwicklungen halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden. Sollten Sie Fragen zur Einreise und Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen haben, beraten wir Sie gerne.
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