Wurde einem Arbeitnehmer unrechtmäßig gekündigt und setzt er sich hiergegen in einem Kündigungsschutzprozess erfolgreich zur Wehr, dann stehen ihm gem. § 615 S.1 BGB in der Regel Annahmeverzugslöhne für den Zeitraum seit der vermeintlichen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu. Auf diese Lohnnachzahlungen muss sich der Arbeitnehmer allerdings nach § 11 Nr. 2 KSchG denjenigen Verdienst anrechnen lassen, der er während dieser Zeit hätte erzielen können, wenn er die Annahme einer zumutbaren neuen Arbeit nicht böswillig unterlassen hätte. Die Arbeitsgerichte handhabten diese Einwendung eines böswillig unterlassenen Verdienstes über Jahre hinweg jedoch äußerst restriktiv, so dass zwischen der Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung und der Nachzahlungspflicht zumeist ein Automatismus bestand. Seit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2020 (BAG v. 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19) kommt der Einwendung des böswillig unterlassenen Erwerbs nach unwirksamen Kündigungen inzwischen jedoch erheblich mehr Praxisrelevanz zu (s. zuletzt auch BAG v. 7. Februar 2024 – 5 AZR 177/23 und BAG v. 15. Januar 2025 – 5 AZR 273/24).

Mit einer kürzlich ergangenen Entscheidung des LAG Köln (Urt. v. 7. Januar 2025 – 7 SLa 78/24) gewinnt die lebhaft diskutierte Frage, welche Obliegenheiten einen gekündigten Arbeitnehmer bei der Suche nach einer neuen Arbeit treffen, um sich mit Blick auf Annahmeverzugslöhne nicht dem Vorwurf „böswilligen Unterlassens“ auszusetzen, weiter an Kontur. Zudem erweitert dieses Urteil die Auskunftsrechte des bisherigen Arbeitgebers, wenn dieser aufgrund konkreter Anhaltspunkte erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbungsbemühungen des gekündigten Arbeitnehmers haben kann.

Sachverhalt

Der Kläger, der seit 2015 bei der beklagten Arbeitgeberin als Berufskraftfahrer angestellt ist, erhielt mit Schreiben vom 27. Juli 2022 eine fristlose sowie hilfsweise ordentliche Kündigung. Gegen diese setzte er sich mit einer Kündigungsschutzklage erfolgreich zur Wehr. Nach der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen verlangte der Kläger von der Beklagten Annahmeverzugslöhne seit dem Zeitpunkt der unwirksamen außerordentlichen Kündigung.

Zur Prüfung eines etwaigen böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs forderte die Beklagte den Kläger auf, Auskünfte über Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit sowie über eigene Bewerbungsbemühungen zu geben. Der Kläger übermittelte der Beklagten hierzu eine Liste mit u.a. 65 Eigenbewerbungen. In 62 Fällen hatte er diese mit dem Vermerk „keine Antwort“ versehen, bei einer Bewerbung führte er als Ergebnis „wg KSch-Verf nicht genommen“ an. Die Beklagte bezweifelte vor diesem Hintergrund die Ernsthaftigkeit der Bewerbungsaktivitäten des Klägers und verweigerte die Lohnnachzahlung. Der Kläger erhob daraufhin erneut Klage.

Die Beklagte stellte sich im Prozess auf den Standpunkt, der Kläger müsse sich in voller Höhe der Klageforderung böswillig unterlassenen Zwischenverdienst anrechnen lassen. Sie verlangte vom Kläger die Vorlage der Bewerbungsunterlagen, um diese näher auf ihre Ernsthaftigkeit überprüfen zu können. Der Kläger wiederum meinte, seine Auskunftspflicht mit der Darlegung des Umfangs seiner Bewerbungsaktivitäten bereits vollumfänglich erfüllt zu haben.

Entscheidungen

Das ArbG Köln (Urt. v. 6. Dezember 2023 – 15 Ca 2733/23) folgte der Auffassung des Klägers und verurteilte die Beklagte auf Zahlung von Annahmeverzugslöhnen. Auf Berufung der Beklagten hob das LAG Köln (Urt. v. 07. Januar 2025 – 7 SLa 78/24) das erstinstanzliche Urteil hingegen auf, mit Ausnahme lediglich einer geringeren Summe, die die Beklagte dem Kläger als Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit schuldete. Dem Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslöhne stünde – jedenfalls derzeit – die Einwendung des böswillig unterlassenen Erwerbs nach § 11 Nr. 2 KSchG entgegen, weil der Kläger seiner Auskunftspflicht noch nicht ausreichend nachgekommen sei. Nach Ansicht des LAG Köln umfasste der Auskunftsanspruch der Arbeitgeberin im vorliegenden Fall nicht nur Auskünfte über Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit und über eigene Bewerbungsbemühungen, sondern auch die – bislang nicht erteilte – Auskunft über den Inhalt und die Form der unbeantworteten Bewerbungen.

Hintergrund dieser zutreffenden Auffassung des LAG Köln ist, dass der Arbeitgeber in einem Prozess um Annahmeverzugslöhne die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines böswillig unterlassenen Erwerbs nach § 11 Nr. 2 KSchG trägt. Da der Arbeitgeber in aller Regel aber über keine Informationen zu den Bewerbungsbemühungen des gekündigten Arbeitnehmers verfügt, trifft diesen eine Nebenpflicht nach Treu und Glauben, dem Arbeitgeber hierzu auf Verlangen Auskünfte zu erteilen. Der Auskunftsanspruch des Arbeitgebers setzt jedoch unter anderem voraus, dass das Durchgreifen der Einwendung böswillig unterlassener Arbeit hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. BAG, Urt. v. 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19). Diese Wahrscheinlichkeit hielt das Arbeitsgericht Köln nach der erfolgten Auskunft zu Vermittlungsvorschlägen der Arbeitsagentur und zu den zahlreichen Eigenbewerbungen nicht weiter für gegeben. Dass es sich bei Letzteren angesichts der hohen Quote (62 von 65) unbeantworteter Bewerbungen lediglich um „Scheinbewerbungen“ gehandelt haben könnte, sei „reine Spekulation“.

Dem trat das LAG Köln in zweiter Instanz zutreffend entgegen. In der Speditions- und Logistikbranche herrsche ein großer Arbeitskräftemangel. Wenn dennoch 95% der Bewerbungen unbeantwortet blieben, deute dies darauf hin, dass mit den Bewerbungen etwas nicht stimme. Und wenn der Kläger bei einer Bewerbung zudem als Ergebnis „wg KSch-Verf nicht genommen“ angibt, sei es naheliegend, dass er in seiner Bewerbung den Rechtstreit mit seinem bisherigen Arbeitgeber proaktiv mitgeteilt habe. Dies entspräche aber nicht dem Verhalten einer tatsächlich um Beschäftigung bemühten Person.

Rechtlich mache es auch keinen Unterschied, ob ein Arbeitnehmer die Aufnahme anderer Arbeit durch Untätigkeit und mangelnde Bewerbungsbemühungen vereitelt oder ob er sich zwar formal bewirbt, aber durch den Inhalt seiner Bewerbung zum Ausdruck bringt, an einer Arbeitsaufnahme überhaupt nicht interessiert zu sein. Das LAG Köln sah im vorliegenden Fall daher weiterhin eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Durchgreifen der Einwendung des böswillig unterlassenen Erwerbs. Deshalb billigte es dem beklagten Arbeitgeber einen weitergehenden Auskunftsanspruch auch auf Form und Inhalt der Bewerbungen zu, damit dieser das Vorliegen von „Scheinbewerbungen“ prüfen und sodann ggf. im Prozess darlegen könne.

Da der Kläger diese Auskunft nicht erteilte, konnte sich die Beklagte in Bezug auf die Lohnachzahlung erfolgreich auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen.

Fazit

Das Urteil des LAG Köln ist zu begrüßen. Es trägt in doppelter Hinsicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus zur weiteren Klärung der Rechtslage bei Annahmeverzugslöhnen unwirksam gekündigter Arbeitnehmer bei:

  • In der Rechtsprechung ist bislang anerkannt, dass sich Arbeitnehmer auf geeignete Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur bewerben müssen und dass sie in zumutbarem Rahmen auch Stellenangeboten nachgehen müssen, die ihnen der Arbeitgeber übermittelt hat. Aus dem vorliegenden Urteil des LAG Köln wird deutlich, dass ein Arbeitnehmer, der Annahmeverzugslöhne einfordert, darüber hinaus auch ernsthafte Bewerbungsbemühungen in eigener Initiative entfalten muss, um dem Vorwurf böswillig unterlassenen Verdienstes entgegentreten zu können (das LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30. September 2022 – 6 Sa 280/22, hatte Bewerbungsaktivitäten sogar „in Vollzeit“ verlangt, was das BAG wiederum für zu weitgehend erachtet, s. BAG v. 7. Februar 2024 – 5 AZR 177/23 und v. 15. Januar 2025 – 5 AZR 273/24).
  • Weiter gibt diese Entscheidung Arbeitgebern, die Forderungen nach Annahmeverzugslöhnen durch gekündigte Arbeitnehmer ausgesetzt sind, ein wichtiges Instrument an die Hand, um nicht nur den Umfang, sondern bei begründeten Zweifeln auch die Ernsthaftigkeit der Bewerbungsbemühungen des gekündigten Arbeitnehmers näher prüfen zu können. Bestehen konkrete Verdachtsmomente, dass ein Arbeitnehmer Bewerbungen nur zum Schein abgibt, an der Aufnahme einer neuen Tätigkeit tatsächlich aber gar kein Interesse hat, wie etwa bei ungewöhnlich wenigen Rückmeldungen oder bei proaktiven Hinweisen auf einen mit dem Vorarbeitgeber geführten Rechtsstreit, dann kann der Arbeitgeber Auskunft auch zu Form und Inhalt der Bewerbungen verlangen, d. h. sich die Bewerbungsunterlagen vorlegen lassen.

Diese Entscheidung verdeutlicht erneut, dass sich Arbeitnehmer auch nach gewonnener Kündigungsschutzklage nicht mehr ohne Weiteres darauf verlassen können, Lohnnachzahlungen zu erhalten. Wer sich ohne angemessene Rücksichtnahme auf die Belange des bisherigen Arbeitgebers nicht ernsthaft um die Aufnahme einer neuen Arbeit bemüht, muss damit rechnen, in einem Rechtsstreit um Annahmeverzugslöhne seine Bewerbungsunterlagen vor Gericht offenlegen zu müssen.

Bild: stock.adobe.com

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