Das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt, das beide Seiten gemäß § 611 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB zur Wahrung der berechtigten Interessen des Gegenübers verpflichtet. Für den Arbeitnehmer folgt  hieraus insbesondere eine Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Diese gerät häufig in Konflikt mit anderen (Rechts-)Positionen des Arbeitnehmers, etwa seiner staatsbürgerlichen Pflicht zur Mitwirkung in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gegen seinen Arbeitgeber oder aber seinen kollegialen Fürsorgeobliegenheiten innerhalb des Betriebs. Aufsehen erregte in jüngerer Zeit anhand negativer Äußerungen in sozialen Netzwerken auch das Spannungsfeld zwischen der Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers und seinem Recht auf freie Meinungsäußerung (vgl. etwa LAG Hamm, Urteil vom 10.10.2012 – 3 Sa 644/12).Bei körperschaftlich organisierten Arbeitgebern, bei denen Anteilseigner und Management in der Regel personenverschieden sind, stellt sich die Frage, ob sich ein Arbeitnehmer zum Wohle des Unternehmens illoyal gegenüber dem Management verhalten darf. Hierzu gehören Fälle, in denen ein Arbeitnehmer zwar nicht an die Öffentlichkeit tritt, aber versucht, intern Druck auf Vorgesetzte auszuüben, um deren Ablösung zu erreichen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 01.06.2017 – 6 AZR 720/15) hatte sich in einem aktuellen Fall mit einer außerordentlichen Kündigung der Geschäftsführerin eines Vereins wegen illoyalen Verhaltens gegenüber dem Vorstand zu befassen.

Sachverhalt

Die Klägerin war als Geschäftsführerin bei dem beklagten Verein beschäftigt. Zwischen der Klägerin und dem Präsidenten des als Präsidium bezeichneten Vorstands kam es zu Differenzen,  woraufhin die Klägerin einem Rechtsanwalt verschiedene E-Mails sandte, die unter anderem die Taktik der Klägerin zum Gegenstand hatten, den Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen. Der Rechtsanwalt schrieb den Präsidenten unter seiner Privatanschrift an und forderte ihn auf, umfassend zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dieses Schreiben erhielten auch alle Mitglieder des Präsidiums zur Kenntnis. Nachdem die Klägerin erkannt hatte, dass es wohl nicht zu einem Rücktritt des Präsidenten kommen würde, rief sie die Vereinsmitglieder dazu auf, die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit dem Ziel der Abwahl des Präsidenten zu fordern. Die Satzung des Vereins regelte in § 11 Abs. 3 Satz 2, dass das Präsidium beschlussfähig sei, wenn drei Mitglieder anwesend seien. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 besteht das Präsidium aus dem Präsidenten, den drei Vizepräsidenten und dem Schatzmeister. Das Präsidium hörte die Klägerin am 25.09.2013 zu ihren Vorwürfen an. Am 04.10.2013 trat einer der drei Vizepräsidenten des Vereins zurück. Das Präsidium des Vereins beschloss am 07.10.2013 einstimmig die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Klägerin, die der Klägerin am 10.10.2013 zuging. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie wendete unter anderem ein, der Präsidiumsbeschluss sei unwirksam, weil das Präsidium wegen des vorherigen Rücktritts eines Mitglieds nicht vollständig besetzt gewesen sei. In erster Instanz war das Arbeitsgericht Dresden (Urteil vom 08.12.2014 – 11 Ca 3260/13) davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis erst durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung beendet worden sei. Dieser Einschätzung folgte das sächsische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 16.07.2015 – 9 Sa 15/15) nicht. Vielmehr wies es die Kündigungsschutzklage in der Berufung ab und nahm eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche Kündigung an.

Entscheidung

Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin vor dem BAG hatte Erfolg. Nach Auffassung des sechsten Senats liegt zwar der Kündigung ungeachtet des vorherigen Rücktritts eines Vizepräsidenten ein nach der Vereinssatzung wirksamer Beschluss des Präsidiums zugrunde; zudem sieht das BAG in dem illoyalen Verhalten der Klägerin einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses. Das Gericht habe aber nicht abschließend beurteilen können, ob die fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von den maßgebenden Tatsachen erklärt worden sei. Zur Klärung der Frage, ob entsprechend dem Vortrag des Beklagten eine Anhörung der Klägerin den Fristbeginn gehemmt habe, verweist der sechste Senat die Sache zurück an das sächsische Landesarbeitsgericht.

Bewertung

Die Annahme der durch die Revision in Zweifel gezogenen Beschlussfähigkeit des Präsidiums überzeugt. Die Vorinstanz hatte sich der Meinung angeschlossen, nach der ein ordnungsgemäß berufener Vorstand, vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsbestimmung, auch dann beschlussfähig ist, wenn nicht alle Ämter besetzt sind. Auch nach der Gegenmeinung, die die Beschlussfähigkeit nur bei vollständiger Besetzung annimmt, ergibt sich nichts anderes, denn auch hiernach ist jedenfalls eine abweichende Bestimmung durch die Satzung möglich. Eine solche kann, im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 15.12.1951 – II ZR 137/51)  in § 11 Abs. 3 Satz 2 der Satzung gesehen werden.

Zu Recht schließt sich der sechste Senat zudem den Vorinstanzen insofern an, als er in dem Verhalten der Klägerin einen wichtigen Grund für deren außerordentliche Kündigung sieht. Das Verhalten der Klägerin hat die Vertrauensbasis des Arbeitsverhältnisses empfindlich gestört und ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu tragen. Auch wenn ein solches intrigantes Verhalten vorgeblich zum Wohl der Gesellschaft vorgenommen wird, so drängt sich der potentielle Interessenkonflikt in der Person der konkurrierenden Führungskraft doch auf. Die Bestellung und Abberufung des Managements ist Sache der Anteilseigner. Daher verhält sich ein Arbeitnehmer, der eigenmächtig Einfluss auf die Personalentscheidungen der Anteilseigner zu nehmen versucht, sowohl gegenüber dem Management als auch gegenüber den Anteilseignern illoyal. Bei entsprechendem Gewicht wird durch derartiges illoyales oder intrigantes Verhalten das Vertrauensverhältnis zwischen der Führungskraft und dem Arbeitgeber irreparabel gestört, so dass nach den Umständen des Einzelfalls ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB gegeben sein kann. Die Grenze einer Loyalitätspflichtverletzung zogen die Vorinstanzen richtigerweise dort, wo sich der Arbeitnehmer nicht mehr konstruktiv um die Lösung von Sachfragen bemüht, sondern versucht, außerhalb der legitimen körperschaftlichen Strukturen die Autorität des Managements zu untergraben und Einfluss auf die Personalentscheidungen zu nehmen.

Die Frage, ob die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB für die außerordentliche Kündigung eingehalten wurde, hat nun das sächsische Landesarbeitsgericht zu entscheiden. In Anbetracht der festgestellten Tatsachen spricht jedoch nach Einschätzung der Verfasserin wenig für eine Verneinung der Fristeinhaltung durch das Landesarbeitsgericht.

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eva.vonmuellern@ogletree.com

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