Die für die Vertragspraxis bedeutsamen Fragen, ob arbeitsvertragliche Ausschlussfristen Ansprüche auf gesetzlichen Mindestlohn ausdrücklich ausnehmen müssen und ob arbeitsvertragliche Ausschluss-/Verfallklauseln ohne eine solche Ausnahme insgesamt oder nur bezüglich der Mindestlohnansprüche unwirksam sind, waren bislang höchst streitig und wurden in der Vergangenheit von den Landesarbeitsgerichten unterschiedlich beantwortet. So hatten zuletzt das LAG Nürnberg (Urt. v. 9.5.2017 – 7 Sa 560/16, vgl. hierzu unser Beitrag vom 22. November 2017) und das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 6.4.2018 – 11 Sa 40/17) entschieden, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, die gesetzliche Mindestlohnansprüche nicht explizit von dem Verfall ausnehmen, nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Ausschlussklausel führen. Das LAG Hamburg (Urt. v. 20.2.2018 – 4 Sa 69/17) hingegen vertrat jüngst die Auffassung, dass Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossen bzw. geändert wurden und Mindestlohnansprüche nicht ausnehmen, insgesamt unwirksam seien.Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr mit Urteil vom 18.09.2018 (9 AZR 162/18) diesen Streit wie folgt entschieden:

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den ab dem 01.01.2015 von § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist – jedenfalls dann – insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde.

Zur Begründung führte das BAG aus, dass die Ausschlussklausel gegen § 307 Abs.1 S.2 BGB verstoße. Sie sei nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 S.1 MiLoG den ab dem 01.01.2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme. Die Klausel könne deshalb auch nicht für den (Anm.: im konkreten Fall geltend gemachten) Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden (§ 306 BGB). Denn § 3 S.1 MiLoG schränke weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach die Anwendung der §§ 306, 307 Abs.1 S.2 BGB ein.

Anmerkung OD:

Obgleich nach den jüngsten LAG Entscheidungen gute Gründe für die nicht vollständige Unwirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen sprachen, steht für die Praxis nach dem Urteil des BAG nunmehr fest, dass Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen, die nicht gesetzliche Mindestlohnansprüche ausnehmen, bereits aus diesem Grund insgesamt unwirksam sind. Dies gilt jedenfalls für Arbeitsverträge, die zeitlich nach dem 31.12.2014 geschlossen wurden.

Ausweislich der bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung differenziert das BAG augenscheinlich zwischen Arbeitsverträgen, die vor dem 01.01.2015 („Altarbeitsverträge“) und solchen, die ab dem 01.01.2015 geschlossen wurden („Neuarbeitsverträge“) und knüpft hinsichtlich des Zeitpunktes insofern zutreffend nicht an das Inkrafttreten des MiLoG im August 2014, sondern an das erstmalige Entstehen der gesetzlichen Mindestlohnansprüche ab dem 1. Januar 2015 an.

Ob hingegen in Altarbeitsverträgen vereinbarte Ausschlussfristen ebenfalls vollständig oder nur – so die derzeit überwiegende Ansicht – bezüglich der Mindestlohnansprüche unwirksam sind, lässt sich der Pressemitteilung nicht entnehmen. Es steht jedoch zu vermuten, dass das BAG diese streitige Frage nicht endgültig entschieden hat, da es sich im konkreten Fall um einen Neuarbeitsvertrag handelte. Insbesondere hinsichtlich dieser Frage sowie bezüglich der vom BAG gestellten Transparenzanforderungen bleibt das Vorliegen der Entscheidung im Volltext zunächst abzuwarten.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, insbesondere auch bei künftigen Änderungsverträgen neben einer Konkretisierung der Änderungsgegenstände zugleich auch eine neue wirksame Ausschlussklausel in die Änderungsverträge mit aufzunehmen. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Rechtsprechung vor allem Änderungsverträge, in denen das unveränderte Fortbestehen der sonstigen -nicht geänderten- Bestimmungen eines Altarbeitsvertrags geregelt wird, als Neuarbeitsverträge mit der Folge der Gesamtunwirksamkeit der Ausschlussklausel wertet.

Nach alledem ist Unternehmen dringend zu empfehlen, ihre arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen nochmals zu überprüfen und künftig sowohl in neuen Arbeitsverträgen als auch in Änderungs-, Ergänzungsverträgen zu Alt- und Neuarbeitsverträgen differenzierte Ausschlussklauseln aufzunehmen, welche insbesondere gesetzliche Mindestlohnansprüche explizit ausnehmen. Zur Gewährleistung weiterer Transparenz ist zudem anzuraten, vorsorglich auch ausdrücklich sonstige gesetzlich unverzichtbare Ansprüche wie z.B. Ansprüche wegen Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit von dem Verfall auszunehmen.

 

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