Diskutiert werden zwei Normen, §§ 621 und 622 BGB:

  • § 622 BGB gilt unmittelbar für Arbeitsverhältnisse und enthält Kündigungsfristen, die sich für Kündigungen durch den Arbeitgeber mit zunehmender Betriebszugehörigkeit verlängern.
  • § 621 BGB gilt für Dienstverhältnisse, die keine Arbeitsverhältnisse sind. Die Kündigungsfristen unterscheiden sich je nach zugrundeliegender Vergütungsvereinbarung. Sie sind aber oftmals deutlich kürzer als die Fristen des § 622 BGB. Zudem sind die Fristen des § 621 BGB – anders als die für Arbeitsverhältnisse geltenden Fristen – auch zulasten des Dienstnehmers abdingbar.

Die Auffassungen dazu, welches Fristenregime für Fremdgeschäftsführer gilt, gehen auch zwischen der Zivil- und der Arbeitsgerichtsbarkeit auseinander. In einem Urteil vom 05.11.2024 bezog nun erneut der BGH Position und stellte sich dabei gegen ein jüngeres Urteil des BAG.

BGH: Analoge Anwendung von § 622 BGB auf Fremdgeschäftsführer

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH gilt § 622 BGB zwar nicht unmittelbar für GmbH-Gesellschafter ohne Mehrheitsbeteiligung, weil diese in keinem abhängigen Arbeitsverhältnis, sondern in einem Dienstverhältnis zur Gesellschaft stünden.

Allerdings wendet der BGH § 622 Abs. 1 und 2 BGB auf diese Personengruppe analog an. Es liege eine zum Arbeitsverhältnis vergleichbare Interessenlage vor, weil der GmbH-Geschäftsführer ohne Mehrheitsbeteiligung der Gesellschaft seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung stelle, von ihr in der Regel wirtschaftlich abhängig sei und bei Kündigung durch die Gesellschaft hinreichend Zeit zur Suche nach einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit bedürfe.

Das Vorliegen einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke wiederum begründet der BGH mit eine Redaktionsversehen, das dem Gesetzgeber schon im Jahre 1969 bei der Neufassung von § 622 BGB unterlaufen sei. Die vorherige Fassung des § 622 BGB erstreckte sich auch auf die „zur Leistung von Diensten höherer Art Angestellten“, zu denen auch GmbH-Geschäftsführer gezählt wurden. Die neue Fassung von § 622 BGB gelte dem Wortlaut nach zwar nur noch für Arbeitnehmer. Damit habe der Gesetzgeber aber keine Änderung in Bezug auf GmbH-Geschäftsführer regeln wollen, sondern nur eine Vereinheitlichung bei Kündigungsfristen von Arbeitsverhältnissen bezweckt.

BAG lehnt analoge Anwendung von § 622 BGB ab

Das BAG hingegen lehnt eine analoge Anwendung des § 622 BGB auf GmbH-Geschäftsführer ohne Mehrheitsbeteiligung mangels planwidriger Regelungslücke ab und wendet auf diese Personengruppe stattdessen § 621 BGB mit den in der Regel kürzeren und zudem abbedingbaren Kündigungsfristen an.

Es fehle schon wegen des klaren Wortlauts des § 621 BGB („Dienstverhältnisse, die keine Arbeitsverhältnisse sind“) an einer Regelungslücke. Zumindest seit einer erneuten Neufassung von § 622 BGB im Jahr 1993 könne nicht mehr von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden. Der Gesetzgeber habe bei dieser Neufassung die GmbH-Fremdgeschäftsführer nicht wieder in den Wortlaut von § 622 BGB aufgenommen, so dass nicht länger von einem Redaktionsversehen gesprochen werden könne. Und schließlich würde es zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn § 622 BGB zwar einerseits nicht auf arbeitnehmerähnliche Personen anzuwenden sei, andererseits aber auf Minderheits-Geschäftsführer einer GmbH angewendet werden solle, die sich von Arbeitnehmern noch deutlicher unterscheiden als arbeitnehmerähnliche Personen. Da § 622 BGB auf arbeitnehmerähnliche Personen nicht anwendbar sei, müsse das erst recht auch bei GmbH-Geschäftsführer ohne Mehrheitsbeteiligung gelten.

BGH behält Rechtsauffassung bei

Der BGH verteidigte seine bisherige Rechtsprechung nunmehr gegen die vorgenannte Auffassung des BAG. Das Gericht führte in einem obiter dictum im Urteil vom 05.11.2024 (Az. II ZR 35/23) aus, dass auf GmbH-Geschäftsführer ohne Mehrheitsbeteiligung die zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich nicht abdingbaren Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse (d.h. § 622 Abs. 1 und 2 BGB) anzuwenden seien.

Dass der Gesetzgeber den Wortlaut des § 622 BGB bei der letzten Neufassung dieser Vorschrift im Jahr 1993 nicht geändert habe, spricht nach Auffassung des BGH – anders als nach Ansicht des BAG – nicht gegen, sondern sogar für eine weitere analoge Anwendung des für Arbeitnehmer geltenden Kündigungsfristenregimes auch auf Fremdgeschäftsführer. Schließlich habe der Gesetzgeber den Wortlaut von § 622 BGB damals in Kenntnis der Rechtsprechung des BGH nicht geändert, weshalb von einer Billigung dieser Rechtsauffassung durch den Gesetzgeber auszugehen sei.

Der BGH hat – wie schon das BAG im Jahr 2020 – davon abgesehen, seine Entscheidung nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG dem Gemeinsamen Senat vorzulegen, vermutlich weil die Äußerung zum Kündigungsfristenregime im jetzigen Urteil nur in einem obiter dictum erfolgte und nicht Teil der tragenden Urteilsbegründung war.

Fazit

Der BGH erteilt in seiner Entscheidung vom 05.11.2024 der Rechtsprechung des BAG erneut eine Absage und hält daran fest, dass das Kündigungsfristenregime des § 622 Abs. 1 und 2 BGB auf den GmbH-Geschäftsführer ohne Mehrheitsbeteiligung analog anzuwenden ist.

Die Praxis wird sich bei der Gestaltung von Geschäftsführer-Dienstverträgen trotz der abweichenden, inhaltlich gut nachvollziehbaren Auffassung des BAG eher an der Rechtsprechung des BGH orientieren müssen. Geschäftsführer-Anstellungsverträge sind regelmäßig als freie Dienstverträge zu qualifizieren, weshalb diesbezügliche Streitigkeiten zumeist von den Zivilgerichten zu entscheiden sind. Auch ist eine Entscheidung durch die Zivilgerichte ohnehin zwingend, solange die Bestellung zum Geschäftsführer fortbesteht. Schon aus diesen Gründen ist zu erwarten, dass sich die Rechtsauffassung des BGH letztlich durchsetzen wird.

Foto: shutterstock / Gorodenkoff

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