Das Wegerisiko

Grundsätzlich ist es Sache der Beschäftigten, wie sie von ihrer Wohnung zu ihrer Arbeitsstelle gelangen. Trotz eines Streiks sind sie also dazu verpflichtet, pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Die Beschäftigten tragen damit das sogenannte „Wegerisiko“. Darunter versteht das Bundesarbeitsgericht das Risiko, nicht oder nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen.

Gemäß § 616 S. 1 BGB sind die Arbeitgeber grundsätzlich nur dann zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes ohne Gegenleistung verpflichtet, wenn die jeweiligen Beschäftigten durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne eigenes Verschulden ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können. Der Verhinderungsgrund muss sich also speziell auf die/den Beschäftigte(n) als Person beziehen. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Anwendbarkeit dieser Vorschrift durch den Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden kann.

Ein allgemeiner Hinderungsgrund, welcher durch höhere Gewalt – beispielsweise durch Unwetter oder Streiks – hervorgerufen worden ist und in der Regel einen größeren Personenkreis gleichzeitig betrifft, reicht nicht aus, um für eine Eintrittspflichtigkeit des Arbeitgebers zu sorgen. Beschäftigte haben demnach in Eigenverantwortung dafür Sorge zu tragen, dass sie pünktlich ihre Arbeitstätigkeit aufnehmen. Es müssen demnach ernsthafte und geeignete Vorkehrungen getroffen werden, um zur vorgesehenen Zeit mit der Arbeit zu beginnen.

Alternative Routen oder Verkehrsmittel

Beschäftigte müssen sich daher rechtzeitig um die Organisation alternativer Routen oder Verkehrsmittel bemühen. So kann erwartet werden, dass Beschäftigte, soweit möglich, auf nicht bestreikte Verkehrsmittel ausweichen. Auch Fahrgemeinschaften mit anderen Beschäftigten oder Car-Sharing-Angebote sind grundsätzlich in Betracht zu ziehen. Notfalls müssen die Beschäftigten den Arbeitsweg auch deutlich früher als üblich antreten.

Home-Office

Das deutsche Arbeitsrecht kennt keinen Anspruch auf Arbeit aus dem Home-Office. Grundsätzlich gilt: Ist keine Vereinbarung getroffen worden und gibt es keine betrieblichen Regelungen, welche es Beschäftigten erlauben, Home-Office wahrzunehmen, ist eine einverständliche Abstimmung mit den jeweiligen Arbeitgebern notwendig.

Nacharbeit der Fehlzeiten

Eine Pflicht zur Nacharbeit besteht nur, wenn sich dies aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem geltenden Tarifvertrag ergibt. Grundsätzlich kommt es bei der Frage, ob streikbedingt ausgefallene Arbeitszeit nachgearbeitet werden soll, auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen an. In vielen Bereichen werden für die Beschäftigten Zeitkonten geführt, sodass entsprechende ausgefallene Arbeitsstunden als Minusstunden verbucht werden können.

Entgeltkürzungen und Abmahnungen

Ist eine Nacharbeit aus persönlichen oder aus arbeitsorganisatorischen Gründen nicht realisierbar, so müssen Beschäftigte eine Kürzung ihres Lohns hinnehmen, der dem zeitlichen Arbeitsausfall entspricht. Denn grundsätzlich gilt: Kein Lohn ohne Arbeit. Nur, wenn Beschäftigte ihre Arbeitsleistung erbringen, bekommen sie ihr Gehalt. Arbeiten die Beschäftigten nicht, müssen die Arbeitgeber keinen Lohn zahlen, sofern nicht eine gesetzliche Ausnahme wie z.B. die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall greift.

Alternativ zur Entgeltkürzung könnte bei erheblichem Zeitausfall auch der Jahresurlaub entsprechend reduziert werden. Eine Kürzung des Jahresurlaubs ist aber immer nur dann möglich, wenn der gesetzlich zustehende Urlaub nicht betroffen ist und Einverständnis besteht. Gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG beträgt der Urlaub jährlich vier Wochen. Bei einer 5-Tage-Woche sind dies 20 Tage. Dieser gesetzliche „Mindesturlaub“ darf also nicht reduziert werden. Vielen Beschäftigten ist durch den Arbeitsvertrag oder einen Tarifvertrag ein höherer Urlaubsanspruch eingeräumt. So können die Urlaubswerktage jenseits der genannten vier Wochen für die Abarbeitung des Arbeitsausfalls verwendet werden.

Kommen Beschäftigte durch ungenügendes Bemühen wegen des Streiks zu spät oder gar nicht zur Arbeit, können Arbeitgeber wegen der ausgebliebenen Arbeitsleistung auch Abmahnungen aussprechen. Nur in Ausnahmefällen, in denen es unzumutbar ist, bei der Arbeit zu erscheinen, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie etwa der Ausspruch einer Abmahnung, nicht.

Foto: Shutterstock / Denis Belitsky

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