Arbeitgeber können mit ihren Arbeitnehmer*innen im Arbeitsvertrag nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbaren. Im Gegenzug hat der Arbeitgeber nach § 74 Abs. 2 HGB i.V.m. § 110 GewO für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen. Diese sog. Karenzentschädigung beträgt für jedes Jahr das Verbots mindestens 50% der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen. Soweit diese vertragsmäßigen Leistungen in wechselnden Bezügen liegen, sind sie gem. § 74b Abs. 2 S. 1 HGB nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in die Karenzentschädigung einzuberechnen.
Mit der konkreten Bestimmung dieser Karenzentschädigung hatte sich das BAG nun in seiner aktuellen Entscheidung auseinander zu setzen.
Sachverhalt
Der Kläger war seit dem 1. Oktober 2019 bei der Beklagten angestellt. Zwischen den Parteien war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB vereinbart. Neben seinem sechsstelligen Bruttojahresentgelt erhielt der Kläger die Option auf virtuelle Aktien. Dieses Programm auf virtuelle Aktien begründet keinen Anspruch auf Übertragung der Aktien, sondern lediglich einen Zahlungsanspruch in Geld. Innerhalb der sog. Vesting Period hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich diese Beteilung durch seine Arbeitskraft zu verdienen. Erst nach Ablauf der Vesting Period und dem hinzutretenden Ereignis eines Asset deals, Share deals oder IPOs können diese Optionsrechte so dann ausgeübt werden.
Der Kläger machte im September 2021 erstmals von seinen Optionsrechten Gebrauch und erhielt dafür EUR 161.400 brutto von der Beklagten. Die Parteien beendeten das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2022 mit einem Aufhebungsvertrag. Der Arbeitnehmer übte auch darüber hinaus nach der Beendigung weitere Optionsrechte aus, welche die Beklagte in Höhe von EUR 17.700 brutto abrechnete.
Der Kläger verlangte die Einbeziehung beider ausgezahlter Beträge bei der Ermittlung seiner Karenzentschädigung. Er war der Auffassung, dass sämtliche Leistungen der Beklagten für die Höhe seiner Karenzentschädigung in Ansatz zu bringen seien.
Entscheidung
Das BAG entschied, dass auch Leistungen aus dem Programm über virtuelle Aktienoptionen grundsätzlich als „vertragsmäßige Leistungen“ nach § 74 Abs. 2 HGB zu berücksichtigen seien. Sie fließen daher gem. § 74b Abs. 2 HGB bei der Berechnung des Durchschnitts der letzten drei Jahre bzw. für die Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses für die Karenzentschädigung mit ein.
Das BAG stellte aber klar, dass Leistungen aus dem Programm über virtuelle Aktienoptionen nur insoweit „vertragsmäßige Leistungen“ nach § 74 Abs. 2 HGB seien, als die entsprechenden Optionsrechte während des laufenden Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden. Wird von den eingeräumten Optionsrechten erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht, seien darauf erbrachte Leistungen bei der Berechnung der Karenzentschädigung hingegen nicht zu berücksichtigen. Entsprechend lehnte das BAG eine Berücksichtigung des zweiten ausgezahlten Betrags i.H.v. EUR 17.700 brutto im vorliegenden Fall bei der Berechnung der Karenzentschädigung ab.
Fazit
Das Urteil ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen gleichermaßen von Bedeutung:
Arbeitgeber haben bei der Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten zu beachten, dass Leistungen aus virtuellen Aktienoptionsprogrammen bei einer späteren Karenzentschädigung mit einzukalkulieren sind. Die Attraktivität solcher Mitarbeiterbeteiligungsprogramme könnte vor diesem Hintergrund für Arbeitgeber deutlich minimiert sein. Entscheidend ist der Zeitpunkt, wann ein Arbeitnehmer seine virtuellen Aktienoptionen ausübt. Für beide Parteien empfiehlt sich eine klare Dokumentation der Ausübung entsprechender Aktienoptionen.
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