Das Bestehen einer Meldeobliegenheit eines Beschäftigten gegenüber der Agentur für Arbeit nach Ausspruch einer Kündigung ist nicht neu (§ 38 SGB III). In seinem Urteil vom 12. Oktober 2022 (Az. 5 AZR 30/22) hatte sich das Bundesarbeitsgerichts (BAG) unter anderem mit der Frage zu beschäftigen, wann ein böswilliges Unterlassen von anderweitigem Verdienst während eines Annahmeverzugszeitraums vorliegt und welche Auswirkungen eine nicht fristgemäße Meldung gegenüber der Agentur für Arbeit auf den Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn haben kann.

Ein Mitarbeiter war bei seinem Arbeitgeber in leitender Position tätig. Der Arbeitgeber beendete das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche und fristlose Kündigung, hilfsweise ordentlich und fristgerecht. Im Anschluss an die Kündigung meldete sich der Mitarbeiter bei der Agentur für Arbeit nicht arbeitssuchend und bezog deshalb auch keine Leistungen. Das Arbeitsgericht entschied, dass die ausgesprochene, arbeitgeberseitige Kündigung unwirksam sei und das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Im Anschluss an das Kündigungsschutzverfahren machte der Mitarbeiter deshalb Annahmeverzugslohn für die Dauer fast 13 Monaten geltend. Der Arbeitgeber stellte sich dem Anspruch auf rückwirkende Gehaltszahlungen mit der Begründung entgegen, der Mitarbeiter habe anderweitigen Verdienst während des relevanten Annahmeverzugszeitraums böswillig unterlassen, indem er sich innerhalb von drei Tagen ab Erhalt der außerordentlichen Kündigung nicht bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet habe. Der Mitarbeiter wendete hiergegen ein, dass Positionen wie seine als Experte im öffentlichen Auftragswesen für Rüstungsgüter nicht von der Agentur für Arbeit, sondern lediglich von privaten Personalvermittlern vermittelt würden und er sich auf verschiedenen Wegen um eine andere Beschäftigung bemüht habe. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, sein (Neben-) Gewerbe als selbständiger KFZ-Händler während der Zeit des Annahmeverzuges auszubauen.

Nach Ansicht des BAG lagen die Voraussetzungen für einen arbeitgeberseitigen Annahmeverzug ab dem Zeitpunkt des Zugangs der (unwirksamen) Kündigung vor, ohne dass der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung hätte anbieten müssen. Ein böswilliges Unterlassen von anderweitigem Verdienst nach § 11 Nr. 2 KSchG läge aber nur dann vor, wenn der Mitarbeiter ein Vorwurf daraus gemacht werden könne, dass er während der Dauer des Annahmeverzuges trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig blieb und eine ihm nach Treu und Glauben unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufgenommen habe oder die Aufnahme einer Arbeit bewusst verhindert hätte. Die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Arbeit könne sich unter anderem aus der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit und den sonstigen Arbeitsbedingungen ergeben. Die Beurteilung der Böswilligkeit sei eine Einzelfallentscheidung, bei der eine Gesamtabwägung aller Umstände und beiderseitiger Interessen vorgenommen werden müsse.

Ob im zu entscheidenden Fall tatsächlich ein böswilliges Unterlassen vorlag, konnte das BAG nicht abschließend aufklären und verwies das Verfahren zurück an das Landesarbeitsgericht. Gleichwohl zeigte das BAG bereits auf, welche Aspekte bei der Gesamtabwägung berücksichtigt werden müssten:

  • Das Unterlassen der Meldung als arbeitssuchend allein erfülle das Merkmal des böswilligen Unterlassens noch nicht, auch wenn der Mitarbeiter diese Meldepflicht kenne.
  • Das Fehlen einer Meldung gegenüber der Agentur für Arbeit müsse aber Beachtung finden. Der Mitarbeiter dürfe nicht vorsätzlich verhindern, dass ihm eine zumutbare Arbeit angeboten würde.
  • Die eigenen Bemühungen des Mitarbeiters um eine anderweitige Tätigkeit seien zu würdigen. Es sei auch zu würdigen, ob dem Mitarbeiter ein Vorwurf daraus gemacht werden könne, dass er sein Hauptaugenmerk auf eine Tätigkeit in seinem Wirtschaftsbereich gelegt habe. Gerade im Falle eines Mitarbeiters in leitender Position seien die etwaigen eigenen Bemühungen des Mitarbeiters um eine anderweitige Tätigkeit von erheblicher Bedeutung.
  • Allein die Tatsache, dass der Mitarbeiter ein Gewerbe angemeldet habe, verpflichte diese nicht dazu, eine selbständige Tätigkeit in Vollzeit aufzunehmen.

Sofern ein böswilliges Unterlassen bejaht würde, so müsse für die Anrechnung eines hypothetischen Verdienstes aufgeklärt werden, ob die Agentur für Arbeit im relevanten Zeitraum zumutbare Vermittlungsangebote unterbreitet hätte, eine Bewerbung des Mitarbeiters erfolgreich gewesen wäre und welchen Verdienst der Mitarbeiter im Rahmen der angenommenen Beschäftigung ab welchem Zeitpunkt hätte erzielt werden können. Die Beweislast für die Einwendungen trüge der Arbeitgeber, allerdings müsse der Mitarbeiter nach schlüssiger Behauptung durch den Arbeitgeber zu den Vermittlungsmöglichkeiten und -chancen konkret vortragen.

Allein die fehlende Meldung als arbeitssuchend gegenüber der Agentur für Arbeit genügt also noch nicht, um einem geltend gemachten Annahmeverzugslohn entgegenzutreten. Sofern ein wirtschaftliches Risiko auf Grund von Annahmeverzug besteht, sollte der Arbeitgeber – wenn möglich – frühzeitig dokumentieren, inwieweit für den/die gekündigte/n Mitarbeiter*in passende Stellen ausgeschrieben waren, so dass einem geltend gemachten Annahmeverzugslohn anderweitige Verdienstmöglichkeiten entgegengehalten werden können. Sofern sich der/die gekündigte Mitarbeiter*in bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet hat, so hat der Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch gegenüber dem/der gekündigten Mitarbeiter*in in Bezug auf die Vermittlungsangebot der Agentur für Arbeit, der Bewerbungsbemühungen, dem Inhalt der Bewerbungen sowie deren Ausgang.

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