Die Tarifautonomie nach Art 9 Abs. 3 S. 1 Grundgesetz (GG) ist von zentraler Bedeutung. Dennoch kommt es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen darüber, inwieweit tarifliche Regelungen durch den Gesetzgeber oder die Gerichte überprüft werden können. Ein aktueller Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (Beschl. v. 11.12.2024, Az. 1 BvR 1109/21 und 1 BvR 1422/23), welcher im Ergebnis die Position der Tarifparteien stärkt.
Hintergrund
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied im Februar 2024, dass die tarifvertragliche Differenzierung bei den Nachtarbeitszuschlägen von Mitarbeitern unzulässig sei. Schichtarbeiter mit regelmäßigen Nachtschichten erhielten einen Zuschlag von 25 Prozent, während Mitarbeiter, die unregelmäßige Nachtarbeit leisteten einen Zuschlag von 50 Prozent erhielten. Das BAG sah in dieser Unterscheidung einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und verlangte daher eine Anpassung der Zuschläge „nach oben“, so dass auch Schichtarbeiter die höheren 50 Prozent erhalten sollten. Denn es gebe keinen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung, da beide Gruppen Nachtarbeit leisten würden.
Gegen diese Entscheidung legten die Arbeitgeber erfolgreich Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein.
Entscheidung
Das BVerfG entschied, dass die Überprüfung und Korrektur der tariflichen Vereinbarung durch das BAG unzulässig war. Aufgrund der grundsätzlichen Tarifautonomie dürfen die Gerichte nur dann eingreifen, wenn eine Regelung willkürlich ist oder gegen Grundrechte verstößt. Diesen Kontrollmaßstab habe das BAG überschritten.
Das BVerfG sah vorliegend gerade keine willkürliche Ungleichbehandlung, da die Differenzierung zwischen regelmäßigem und unregelmäßigem Nachtdienst sachlich gerechtfertigt sei. Schichtarbeiter mit regelmäßiger Nachtschicht profitieren unter anderem von Ausgleichstagen, während unregelmäßige Nachtschichten aufgrund ihrer Seltenheit und mangelnden Planbarkeit belastender seien. Gerade diese Unterscheidung rechtfertige die unterschiedlichen Zuschläge. Gleichzeitig sei dies Parteien bei Abschluss des Tarifvertrages bekannt gewesen, sodass eine „Anpassung ach oben“ nicht auf den Willen der Tarifvertragsparteien gestützt werden könne. Im Ergebnis verletzte die durch das BAG geforderte „Anpassung nach oben“ die Tarifautonomie.
Ausblick
Die Entscheidung des BVerfG stärkt mit seinem Beschluss die in Deutschland geltende Tarifautonomie, verdeutlich den diesbezüglichen Kontrollmaßstab und bietet eine klare Orientierung für Arbeitnehmer: Solange Unterscheidungen sachlich und nachvollziehbar sind und nicht willkürlich erfolgen, sind solche Vereinbarungen in der Regel rechtmäßig. Arbeitgeber sollten dabei allerdings sicherstellen, dass ihre Tarifverträge transparent und gut begründet sind.
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