(Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierungen betreffen gleichermaßen Personen jeglichen Geschlechts.)
Sachverhalt:
Die Klägerin war Alleinerbin ihres am 20. Dezember 2010 verstorbenen Ehemanns. Das Arbeitsverhältnis des Ehemanns mit der beklagten Arbeitgeberin endete an jenem Tag durch seinen Tod. Für das Jahr 2010 standen dem Arbeitnehmer zum einen 30 Urlaubstage aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zu und zum anderen anteiliger Zusatzurlaub von zwei weiteren Werktagen aufgrund einer im selben Jahr erfolgten Anerkennung als Schwerbehinderter. Von diesen insgesamt 32 Urlaubstagen hatte der Arbeitnehmer bis zu seinem Tod nur sieben Tage in Anspruch genommen, so dass die Klägerin die Abgeltung der noch nicht in Anspruch genommenen 25 Urlaubstage verlangte, welche ihr durch alle Instanzen hinweg zugesprochen wurde.
Begründung:
Mit Urteil vom 22. Januar 2019 (9 AZR 45/16 – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Newsletters war das vollständige Urteil noch nicht verfügbar) entschied das BAG, dass für den Fall der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers, dessen Erben grundsätzlich einen Anspruch auf Abgeltung des von dem Arbeitnehmer nicht genommenen Urlaubs zusteht.
Bisher hatte das BAG einen solchen Urlaubsabgeltungsanspruch zugunsten der Erben lediglich dann bejaht, wenn ein entsprechender Anspruch bereits zu Lebzeiten des verstorbenen Arbeitnehmers entstanden war (vgl. insb. BAG Urt. v. 12.3.2013, Az. 9 AZR 532/11); wurde das Arbeitsverhältnis hingegen erst durch den Tod des Arbeitnehmers beendet, so gingen noch bestehende Urlaubsansprüche nach bisheriger Ansicht des BAG mit dem Tod des Arbeitnehmers unter und wandelten sich nicht in einen Abgeltungsanspruch der Erben um. Diese ursprüngliche Rechtsauffassung des BAG war nach der gegenläufigen Entscheidung des EuGHs vom 06. November 2018 (C-569/16, C-570/16), wonach der Anspruch eines Arbeitnehmers auf noch nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers untergehen dürfe, nicht mehr haltbar, so dass das jetzige Urteil des BAG wenig überraschend kam.
Für die Praxis interessant ist die von den Gerichten angedeutete Differenzierung zwischen den einzelnen „Urlaubsarten“. Klarheit dürfte insoweit bestehen, als das sich zumindest noch bestehende Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub sowie Ansprüche auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen im Fall des Todes des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis in einen Abgeltungsanspruch der jeweiligen Erben umwandeln. Noch nicht abschließend geklärt ist indes, ob im Hinblick auf vom Arbeitgeber gewährten, über den gesetzlichen Mindestjahresurlaub hinausgehenden tariflichen oder vertraglichen Mehrurlaubs Abweichendes vereinbart werden kann. In dem vom BAG zu entscheidenden Fall fehlte es an einer tarifvertraglichen Regelung, nach welcher ein potentieller Erbe das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub tragen solle. Das BAG deutet jedoch an, dass eine derartige Zuweisung des Verfallrisikos wohl grundsätzlich möglich sei.
Praxistipp von Ogletree Deakins: Wie kann man einen möglichen Abgeltungsanspruch der Erben im Fall des Todes eines Arbeitnehmers beschränken?
Sofern Arbeitnehmern vertraglicher Mehrurlaub gewährt wird, der über den gesetzlichen Mindesturlaub oder sonstigen gesetzlich gewährten Zusatzurlaub (z.B. im Fall einer Schwerbehinderung) hinausgeht, sollten Sie Ihre entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen dahingehend überprüfen, ob diese zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Mehrurlaub differenzieren und ob im Hinblick auf den vertraglichen Mehrurlaub zumindest geregelt ist, dass dieser bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses (so auch beim Tod des Arbeitnehmers) nicht abgegolten wird und dass genommener Urlaub grundsätzlich zuerst auf den gesetzlichen Mindesturlaub angerechnet wird.
Durch die geänderte Rechtsprechung des BAG werden künftig wohl vermehrt entsprechende Forderungen im Fall des Todes eines Arbeitnehmers an den Arbeitgeber herangetragen werden, welche insbesondere bei einer länger andauernden Krankheit des Arbeitnehmers und der damit einhergehenden Aufrechterhaltung von Urlaubsansprüchen, nicht unerhebliche Ausmaße annehmen könnten.