Dies entschied jüngst das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 13.06.2024, Az.: 3 TaBV 1/24).
In dem vorliegenden Fall beschloss die 3. Kammer, dass Matrix-Führungskräfte mangels einer betrieblichen Eingliederung keine Wahlberechtigung für die Betriebsratswahl in dem konkreten Betrieb innehatten, zu dem keine arbeitsvertragliche Zuordnung bestand. Vielmehr läge darin ein Verstoß gegen fundamentale Wahlgrundsätze, der die Anfechtbarkeit der Wahl begründete.
Entscheidung
Im zugrundliegenden Rechtsstreit ging es um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl, die im Juni 2022 abgehalten wurde. Die Arbeitgeberin unterhält fünf Betriebe mit jeweils einem Betriebsrat. Der Aufbau der Betriebe folgt dabei einer Matrix-Organisationsstruktur, bei welcher die Teams jeweils mehreren Führungskräften aus unterschiedlichen Betrieben unterstellt sind. Für die Betriebsratswahl an einem Standort waren in der Wählerliste neben den dort angestellten Arbeitnehmern auch Führungskräfte aufgeführt, welche zwar auch Arbeitnehmer in diesem Betrieb führen, aber ansonsten einem anderen Betrieb der Arbeitgeberin angehören. Die Arbeitgeberin sah darin einen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften und machte die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl gerichtlich geltend. Nach der zentralen Norm § 7 S. 1 BetrVG sind alle über 16-jährigen Arbeitnehmer eines Betriebes wahlberechtigt. Dreh- und Angelpunkt ist daher die Frage, wer zu einem Betrieb gehört.
Erforderlich dafür sei nach der BAG-Rechtsprechung ein nicht unerhebliches disziplinarisches Führungsrecht und eine daraus resultierende „Eingliederung“ in den Betrieb. Im Schwerpunkt setzte das LAG sich in seinem Beschluss mit der rechtsdogmatischen Auslegung des Eingliederungsbegriffs auseinander. Es betonte, dass der Begriff der „Eingliederung“ innerhalb des BetrVG nicht einheitlich verstanden werden müsse. Insbesondere müsse der Begriff der Eingliederung bei verschiedenen Normen innerhalb des BetrVG aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtungen der Normsystematiken auch unterschiedlich ausgelegt werden.
Im Kern entschied das Gericht, dass es für die Frage nach der Zuordnung zu einem Betrieb mit Blick auf die Betriebsratswahl wesentlich auf die arbeitsvertragliche Zuordnung der Matrix-Führungskräfte zu einem Betrieb ankomme. Der sogenannte „Stammbetrieb“ zeichnet sich dadurch aus, dass er regelmäßig das Direktionsrecht über die ihm zugeordneten Matrix-Führungskräfte ausübt, von dort aus die auf das Arbeitsverhältnis bezogenen Anweisungen erteilt werden und dort die überwiegende Mehrheit der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten anfallen. Eine Eingliederung zum Zwecke der Ermittlung der Wahlberechtigung sei folglich allein in dem Betrieb anzunehmen, in welchem sie arbeitsvertraglich zur regelmäßigen Arbeitsleistung zugeordnet sind.
Nach Ansicht des LAG sind keine legitimen Gründe ersichtlich, wonach eine mehrfache Wahlberechtigung für Matrix-Führungskräfte in verschiedenen Betrieben gelten könnte und müsste. Dies würde vielmehr zu einem Wertungswiderspruch und zu einer Repräsentationsverzerrung führen. Die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass einer Matrix-Führungskraft daher nur in ihrem „Stammbetrieb“ das Stimmrecht nach § 7 Satz 1 BetrVG zuerkannt wird.
Ausblick
Dieser Beschluss bringt ein Stück weit mehr Rechtsklarheit für anstehende Betriebsratswahlen. Den Wahlvorständen wird durch die Entscheidung eine praktikable Lösung für die Erstellung der Wählerliste mit an die Hand gegeben. Statt auf eine wenig greifbare Gesamtabwägung abzustellen, ist die arbeitsvertragliche Zuordnung und damit letztlich der „Stammbetrieb“ maßgeblich für die Zuordnung der Matrix-Führungskräfte. Arbeitgeber können mit der klaren Entscheidung des LAG Baden-Württemberg die Wählerlisten leichter prüfen. Ob die Entscheidung letztlich für die Zukunft Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Es gibt eine Reihe von abweichenden Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte, z. B. jüngst LAG Hessen, Beschluss v. 22. Januar 2024 – 16 TaBV 98/23. Gegen den hier besprochenen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zugelassen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird daher mit Spannung erwartet.
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