Am 27. Januar 2021 ist die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Kraft getreten. Diese soll durch zusätzliche Maßnahmen dazu beitragen, das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz weiter zu reduzieren. Die aus Arbeitgebersicht wichtigste Veränderung ist eine neu hinzugekommene Verpflichtung, den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.
Offenbar zurückhaltende Nutzung häuslicher Arbeit im zweiten Lockdown
Die Bundesregierung reagiert mit dieser Verpflichtung auf eine scheinbar eher zurückhaltende Nutzung mobiler Arbeit während des zweiten Lockdowns in Deutschland. Aktuellen Umfragen zufolge lag die Nutzung mobiler Arbeitsmittel seit November 2020 erheblich niedriger als im ersten Lockdown. Im Frühjahr 2020 arbeiteten diesen Umfragen zufolge ca. 27 % der Beschäftigten im Home Office, während es seit November 2020 mit 14 % nur ungefähr halb so viel Beschäftigte waren.
Wann muss der Arbeitgeber häusliches Arbeiten anbieten?
Nunmehr ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beschäftigten mit geeigneten Tätigkeiten das häusliche Arbeiten anzubieten. Die Verpflichtung des Arbeitgebers beschränkt sich auf das Angebot; der/die Beschäftigte muss es nicht annehmen.
Es stellt sich zunächst die Frage nach der abstrakten Geeignetheit, nämlich ob die konkrete Tätigkeit in geeigneter Weise im häuslichen Bereich erbracht werden kann. Dies wird auf die meisten Tätigkeiten, die in einem Büro verrichtet werden, zutreffen. Allerdings sind auch hier Tätigkeiten denkbar, die ungeeignet sind. Wenn ein/e Bürobeschäftigte/r (auch) für die Bearbeitung eingehender Post zuständig ist, muss diese/r zumindest zeitweise vor Ort sein, um diese entgegenzunehmen. So sind sicher auch andere Bürotätigkeiten denkbar, die sich bereits abstrakt nicht in den häuslichen Bereich verlagern lassen.
Der Arbeitgeber muss eine häusliche Tätigkeit für geeignete Bereiche nur dann nicht anbieten, wenn zwingende betriebsbedingte Gründe dem entgegenstehen. Die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes wird in der Praxis aus unserer Sicht die meisten Probleme bereiten. Mögliche entgegenstehende Gründe können aus unserer Sicht technischer Natur sein, etwa wenn die notwendige technische Infrastruktur für ein häusliches Arbeiten aufgrund nicht vorhandener mobiler Geräte oder fehlender Netzzugänge ein häusliches Arbeiten nicht zulässt. Gegen ein häusliches Arbeiten sprechen aus unserer Sicht auch besondere Geheimhaltungsinteressen, etwa beim Umgang mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die den betrieblichen Bereich nicht verlassen dürfen. Zur Beurteilung, ob zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen, ist stets eine Betrachtung im Einzelfall erforderlich.
Die Verordnung gilt befristet bis zunächst 15. März 2021. Je nach Weiterentwicklung des Infektionsgeschehens ist es jedoch nicht unwahrscheinlich, dass die Geltung verlängert werden wird.
Weitere Kernpunkte der Verordnung sind:
- Wenn es unumgänglich ist, dass Räume von mehreren Beschäftigten gleichzeitig genutzt werden, muss der Raum so bemessen sein, dass pro Person mindestens 10 m2 zur Verfügung stehen
- In Betrieben ab 10 Beschäftigten sind diese in möglichst kleine und feste Arbeitsgruppen einzuteilen
- Durch den Arbeitgeber sind mindestens medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung zu stellen
Können Bußgelder verhängt werden?
Alle in der Verordnung enthaltenen Maßnahmen gelten bundesweit und unabhängig von einem bestimmten regionalen Inzidenzwert. Die Verordnung selbst sieht keine Zwangsmittel zur Umsetzung der Maßnahmen vor. Allerdings haben die zuständigen Landesbehörden für Arbeitsschutz über § 22 Abs. 3 ArbSchG die Möglichkeit, Rechtsverordnungen im Bereich des Arbeitsschutzes durch die Anordnung von Einzelfallmaßnahmen umzusetzen. So erscheint es auch in Umsetzung der Arbeitsschutzverordnung theoretisch denkbar, dass die zuständige Landesbehörde im konkreten Einzelfall feststellt, dass für eine konkrete Position das häusliche Arbeiten angeboten werden muss. Leistet der Arbeitgeber auf eine solche Feststellung dann nicht Folge, könnten als letztes Mittel Bußgelder verhängt bzw. weitere Maßnahmen getroffen werden.
Haben Sie weitere Fragen zur neuen Arbeitsschutzverordnung? Sprechen Sie uns gerne an.
Bild: Shutterstock / Halfpoint