Hintergrund

Ein 55-jähriger Projektmanager arbeitete mit Zustimmung seiner Arbeitgeberin, eines Automobilzulieferers, seit drei Jahren zu 80 % im Homeoffice und in der übrigen Zeit bei Kunden vor Ort. Sein Arbeitsvertrag sah einen flexiblen Einsatzort innerhalb der gesamten Unternehmensgruppe vor. Nach der Schließung seines Heimatstandorts widerrief die Arbeitgeberin die Homeoffice-Erlaubnis und versetzte ihn an einen 500 km entfernten Standort, hilfsweise sprach sie eine Änderungskündigung aus. Der Arbeitnehmer war mit der Änderung seines Arbeitsortes nicht einverstanden und klagte gegen die Versetzung sowie gegen die Änderungskündigung. Aus Sicht des Klägers war die Versetzung nicht erforderlich und daher nicht verhältnismäßig. Es sei ihm auch aus privaten Gründen nicht möglich, so kurzfristig seinen Lebensmittelpunkt zu verlagern. Die Wohnungssuche sei in der Kürze der Zeit nicht zu bewältigen und mangels der Bereitschaft zur Übernahme der zumindest vorübergehenden Hotel- und Fahrtkosten durch die Arbeitgeberin war die Weisung zudem aus seiner Sicht unzumutbar. Die Arbeitgeberin argumentierte, dass es infolge der Standortschließung weder Arbeitsplätze vor Ort noch im Homeoffice gäbe. Sie betonte, dass das Zusammenarbeiten in Präsenz unternehmensweit zur Arbeitskultur gehöre – lediglich bedingt durch die Pandemie kam es zu vorübergehenden Homeoffice-Handhabungen. Die Änderungskündigung stützte die Arbeitgeberin auf dringende betriebliche Gründe und verwies auf die Schließung des gesamten Standortes, dem der Kläger bisher zugeordnet war.

Gerichtsentscheidung

Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und erklärte sowohl die Versetzung als auch die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung für unwirksam.

Arbeitgeber haben grundsätzlich das Recht, den Arbeitnehmer*innen nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) einseitig Weisungen zu erteilen. Vom Weisungsrecht umfasst ist auch, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung festzulegen. Die Ausübung dieses Weisungsrechts muss allerdings nach billigem Ermessen erfolgen, wonach die Belange des Arbeitnehmers in angemesser Weise zu berücksichtigen sind.

Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Versetzung die Grenzen des billigen Ermessens überschritt. Der Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis sei nach den Feststellungen des Gerichts nicht durch überwiegende sachliche Interessen der Arbeitgeberin gerechtfertigt sei. Stattdessen betonte die Kammer, dass die Belange des Klägers überwiegen würden und er aufgrund seiner Verwurzelung ein erhebliches „Bestands- und Ortsinteresse“ habe, und sowohl die Wohnungssuche als auch die sehr hohenHotel- und Fahrtkosten gegen eine Versetzung sprächen.

Die Änderungskündigung, die mangels Annahme durch den Kläger, als Beendigungskündigung zu qualifizieren sei, war nicht sozial gerechtfertigt. Es fehle es an den dringenden betrieblichen Erfordernissen. Nach Ansicht der Kammer stellte die Beklagte nicht ausreichend dar, inwiefern der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen sei und weshalb eine Beschäftigung im Homeoffice nicht auch weiterhin möglich sei.

Praxisausblick

Aus Sicht vieler Arbeitnehmer*innen ist Homeoffice längst ein nicht wegzudenkender Bestandteil der modernen Arbeitswelt. Einige Arbeitgeber hingegen möchten die aktuellen Regelungen zurückfahren und in der Vergangenheit gewährte, allzu großzügige Homeoffice-Möglichkeiten einschränken. Angesichts dieser gegensätzlichen Interessenlagen ist es wenig überraschend, dass die Zahl gerichtlicher Auseinandersetzungen rund um das Thema Homeoffice zuletzt zugenommen hat.

Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollten Arbeitgeber Homeoffice-Regelungen ausdrücklich vorab im Arbeitsvertrag regeln oder zusätzliche Homeoffice-Vereinbarung konzipieren und hierbei klare Regelungen für deren Beendigung vorsehen. Denn sofern es den Arbeitnehmer*innen über einen längeren Zeitraum gestattet war, der Tätigkeit aus dem Homeoffice nachzukommen, kann diese Erlaubnis nicht grundlos einseitig widerrufen werden. Der Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis muss mithin im Rahmen des billigen Ermessens liegen.

Foto: shutterstock / Miljan Zivkovic

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