Spilled coffee, with an employee coughing in the background.

Was war passiert?

Der Kläger arbeitete als Vorarbeiter auf einer Baustelle. Während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer trank er Kaffee und verschluckte sich dabei. Dadurch musste er so stark husten, dass er den Container verließ, um die Besprechung nicht zu stören und sich draußen auszuhusten. Hierbei verlor er kurz sein Bewusstsein und stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter. Durch den Sturz brach er sich das Nasenbein.

Die Berufsgenossenschaft erkannte den Vorfall nicht als Arbeitsunfall an. Denn der Kläger sei nicht von der gesetzlichen Versicherung gedeckt. Ihrer Auffassung nach diente der Kaffeekonsum keinen „betrieblichen Zwecken“. Das Kaffeetrinken falle in den privaten Lebensbereich des Klägers. Daraufhin klagte der Mitarbeiter vor dem zuständigen Sozialgericht – erfolglos. Das Gericht folgte der Einschätzung der Berufsgenossenschaft. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt.

Was war passiert?

Das LSG Sachsen-Anhalt entschied anders. Das Gericht wertete das Ereignis mit einer Nasenbeinfraktur als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII.

Den dafür erforderlichen sachlichen Zusammenhang zwischen der betroffenen Verrichtung des Kaffeetrinkens und der versicherten Tätigkeit der Baustellenarbeit bejahte das LSG aus den folgenden Gründen:

Zwar diene die Aufnahme von Nahrung und Getränken grundsätzlich keinem betrieblichen Zweck, da hiermit menschliche Grundbedürfnisse erfüllt würden. Allerdings sei die Intention des Klägers nicht gewesen, mit dem Kaffeeverzehr das Grundbedürfnis des Durstlöschens zu befriedigen. Vielmehr werde durch kollektives Kaffeetrinken während einer verpflichtend angeordneten Besprechung die positive Arbeitsatmosphäre gestärkt. Zudem werde durch das Koffein die Aufnahmebereitschaft gefördert. Für das LSG war für den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit auch maßgeblich, dass der Kaffee vom Arbeitgeber gestellt und nicht vom Arbeitnehmer selbst mitgebracht wurde.

Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

Was mitnehmen aus der Entscheidung?

Gerichte befassen sich regelmäßig mit der Abgrenzung zwischen einem Arbeitsunfall und „Privat“-Unfall. So stellte das LSG Hessen (Urteil vom 07.02.2023 – AZ L 3 U 202/21) fest, dass ein Sturz auf dem Weg zum Kaffeeautomaten im Büro ein Arbeitsunfall sei. Denn dies sei ein unmittelbar mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängender Weg.

Typische anerkannte Arbeitsunfälle sind etwa Wegeunfälle auf dem Hin- oder Rückweg zur Arbeit, einschließlich bestimmter Umwege (z. B. zur Kindertagesstätte), sowie Unfälle während der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit – auch bei kurzen Unterbrechungen. Pausenaktivitäten können versichert sein, wenn sie im betrieblichen Interesse stehen, etwa der Besuch der Kantine im Betrieb. Kein Versicherungsschutz besteht hingegen bei rein privaten Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa bei privaten Telefonaten. Auch eigenwirtschaftliche Handlungen wie der Gang zum Supermarkt in der Pause sind in der Regel nicht versichert.

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr die Risiken für Arbeitgeber im Kontext von alltäglichen Handlungen wie dem Kaffeetrinken.

Für die juristische Einordnung ist maßgeblich, ob die jeweilige Handlung wesentlich durch betriebliche Interessen geprägt ist oder vorwiegend privaten Bedürfnissen dient.

Arbeitgeber sollten daher klar dokumentieren, welche Tätigkeiten betrieblich veranlasst sind. Eine gute Prävention schützt sie im Streitfall.

Bild erstellt mit Adobe Firefly

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