In dem Verfahren ging es um die Geltendmachung von Annahmeverzugslohn durch eine Arbeitnehmerin. Diese hatte mit ihrer Arbeitgeberin vertraglich Arbeit auf Abruf vereinbart. Eine Regelung zur wöchentliche Arbeitszeit war in dem Arbeitsvertrag nicht enthalten. Die Arbeitnehmerin wurde während der Dauer der Beschäftigung von ihrer Arbeitgeberin je nach Bedarf in unterschiedlichem zeitlichen Umfang eingesetzt. Ab dem Jahr 2020 nahm der Umfang der durch die Arbeitgeberin abgerufenen Stunden im Vergleich zu den drei vorausgegangenen Jahren (2017 bis 2019) ab, weshalb sich auch das Monatsgehalt der Arbeitnehmerin reduzierte. Die Arbeitnehmerin verklagte ihre Arbeitgeberin daher auf (Nach-) Zahlung von Gehalt berechnet auf Grundlage von 103,2 Stunden pro Monat (Monatsdurchschnitt in den Jahren 2017 bis 2019). Die Arbeitnehmerin war der Meinung, dass im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ergäbe, dass der Monatsdurchschnitt der vergangenen drei Jahre nunmehr die geschuldete und von der Arbeitgeberin zu vergütende Arbeitszeit wäre. Da die Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin zeitlich nicht in dem aus ihrer Sicht vollem Umfang einsetzte, habe sie Anspruch auf die Zahlung von Annahmeverzugslohn.

Bereits die Vorinstanzen hatten entschieden, dass bei Fehlen einer Vereinbarung über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit in einem Abrufarbeitsvertrag die gesetzliche Regelung des § 12 Abs. 1 S. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) die dadurch entstehende Regelungslücke schließe und eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart gelte. Dieser Rechtsauffassung schloss sich das BAG letztlich an.

Eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung in § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG hinsichtlich der Dauer der Wochenarbeitszeit komme nur in Ausnahmefälle im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung in Betracht, wenn eine Wochenarbeitszeit von 20 Stunden im Einzelfall keine sachgerechte Regelung darstelle und es objektive Anhaltspunkte dafür gäbe, dass die Vertragsparteien bei Abschluss des Abrufarbeitsvertrages in Kenntnis der Regelungslücke eine höhere oder geringere Wochenarbeitszeit vereinbart hätten. Hierfür gab es im zu entscheidenden Fall aber keine Anhaltspunkte.

Ungeachtet dessen könnten die Vertragsparteien auch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich oder konkludent eine andere Wochenarbeitszeit vereinbaren. Allein das Abrufverhalten der Arbeitgeberin reiche aber nicht aus, weil dem Abrufverhalten kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dahingehend entnommen werden könne, die Arbeitgeberin wolle sich in Zukunft an eine höhere Wochenarbeitszeit binden. Auch die Bereitschaft der Arbeitnehmerin, mehr als 20 Stunden pro Woche zu arbeiten, könne nicht zu der Annahme führen, die Arbeitnehmerin wolle dauerhaft mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeiten.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und um Streitigkeiten mit der Belegschaft zu vermeiden, sollte daher darauf geachtet werden, dass in Abrufarbeitsverträgen eine konkrete wöchentliche Arbeitszeit sowie der Umfang der abrufbaren Arbeitsstunden explizit vereinbart wird.

Verfasser

Topics


Zeige weitere Artikel

Melden Sie sich für unseren Newsletter an!

Jetzt anmelden