Am 15. Oktober 2021 sind Änderungen in der Wahlordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (WO) in Kraft getreten. Hierdurch werden die durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 18. Juni 2021 vorgesehenen Änderungen endlich in der WO umgesetzt.

Vorangestellt sei, dass durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz bereits ab dem 18. Juni 2021 die Möglichkeiten zur Durchführung eines vereinfachten Wahlverfahrens erheblich erweitert worden ist:

  • In Betrieben mit 5 bis 100 Mitarbeiter*innen (früher von 5 bis 50) findet ein vereinfachtes Wahlverfahren statt (§ 14a Abs. 1 BetrVG).
  • In Betrieben mit 101 bis 200 Mitarbeiter*innen (früher 51 bis 100) können Unternehmen und Wahlvorstand die Durchführung eines vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren (§ 14a Abs. 5 BetrVG).

Die hinzukommenden neuerlichen Änderungen in der WO sind nicht nur für die Wahlvorstände und Betriebsräte von Interesse, sondern auch für Unternehmen von Bedeutung. Die Änderungen gelten ab sofort und sollen im Folgenden im Wesentlichen kurz zusammengefasst werden:

  • Das Mindestalter für die Ausübung des aktiven Wahlrechts wird auf Vollendung des 16. Lebensjahres gesenkt. Die Vollendung des 18. Lebensjahres bleibt jedoch Voraussetzung für das passive Wahlrecht (Wählbarkeit).
  • Nicht öffentliche Sitzungen des Wahlvorstandes können mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass
    • eine dahingehende Beschlussfassung durch den Wahlvorstand vorliegt,
    • die Vertraulichkeit sichergestellt ist,
    • die Sitzung nicht aufgezeichnet wird,
    • eine nicht öffentliche Sitzung zulässig ist (z. B. nicht bei der Stimmauszählung).
  • Das Wahlausschreiben muss neben dem Hinweis auf die Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen die Richtigkeit der Wähler*innenliste künftig auch den ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass eine Anfechtung der Wahl ausgeschlossen ist, wenn der Anfechtungsgrund auf einem Fehler der Wähler*innenliste beruht und hiergegen nicht ordnungsgemäß Einspruch erhoben wurde (§ 19 Abs. 4 S. 1 WO). Die Anfechtung durch Arbeitgeber*innen ist ausgeschlossen, soweit sich diese darauf stützen möchte, die Wähler*innenliste sei unwirksam, obwohl die Unrichtigkeit auf deren Angaben beruht (§ 19 Abs. 3 WO).
  • Sofern dem Wahlvorstand bekannt ist, dass Mitarbeiter*innen auf Grund der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses am Wahltag oder vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Wahltag aus anderen Gründen (z. B. Krankheit) nicht im Betrieb anwesend sein werden (§ 24 Abs. 2 WO), so ist diesen Mitarbeiter*innen das Wahlausschreiben postalisch oder elektronisch (z. B. per E-Mail) zuzusenden (§ 3 Abs. 4 S. 4 WO).
  • Die Wähler*innenliste kann bis zum Abschluss der Stimmabgabe berichtigt oder ergänzt werden. Die Aufnahme in die Wähler*innenliste ist Voraussetzung für die Ausübung des aktiven Wahlrechts. Es soll sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter*innen am Wahltag ihre Stimme abgeben können, z. B. auch diejenigen, deren Arbeitsverhältnis erst unmittelbar vor der Wahl begonnen hat. Bislang konnte die Wähler*innenliste nur bis zum Tage vor dem Beginn der Stimmabgabe geändert werden.
  • Eine weitere wichtige Änderung gibt es bei den Vorschlagslisten. In Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeiter*innen wird künftig auf das Erfordernis von Stützunterschriften gänzlich verzichtet (anstelle von zuvor zwei). In Betrieben mit 21 bis 100 Mitarbeiter*innen erfolgte eine pauschale Absenkung der Stützunterschriften auf zwei Wahlberechtigte (anstelle von zuvor 1/20stel der Belegschaft). Bei Betrieben mit in der Regel mehr als 100 Wahlberechtigten bleibt es weiterhin bei dem Erfordernis der Unterzeichnung durch mindestens 1/20 der wahlberechtigten Belegschaft. In jedem Fall genügt aber die Unterzeichnung durch 50 Wahlberechtigte.
  • Die Stimmabgabe soll – auch in Zeiten der Pandemie – weiterhin in Präsenz erfolgen. Der Umwelt zuliebe sollen ab sofort bei einer Stimmabgabe vor Ort die Wahlumschläge entfallen.
  • Anders als bisher sind Briefwahlunterlagen unaufgefordert nicht nur an Mitarbeiter*innen zu senden, die nach der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich im Zeitpunkt der Wahl nicht im Betrieb anwesend sein werden (z. B. Außendienstmitarbeiter*innen und Telemitarbeiter*innen), sondern auch denjenigen, die aus anderen Gründen (z. B. Ruhen des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsunfähigkeit) nicht im Betrieb sein werden. Die Abwesenheit vom Betrieb muss voraussichtlich vom Tag, an dem das Wahlausschreiben erlassen wird, bis zum Wahltag bestehen.
  • Letztlich kann der Wahlvorstand – entgegen der Fristenberechnung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch – als Fristende eine bestimmte Uhrzeit festlegen, so dass die Frist vor 24 Uhr eines Tages enden kann (§ 41 Abs. 2 WO). Zu beachten ist allerdings, dass das Fristende nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der Wahlberechtigten liegen darf.

Die Änderungen, insbesondere die Möglichkeit zur Briefwahl für dauerhaft im Homeoffice Arbeitende, Langzeiterkrankte, Mitarbeiter*innen in Elternzeit etc. ist begrüßenswert, auch wenn sich viele in Zeiten der Pandemie sicher eine Abkehr von der Präsenzwahl gewünscht hätten. Es bedarf sicher keiner weiteren Erwähnung, dass mit den Neuregelungen die Pflicht des Unternehmens korrespondiert, dem Wahlvorstand alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Aber nicht nur aus diesem Grunde ist es für Unternehmen ratsam, sich einen Überblick über die geltenden Änderungen vor den turnusmäßigen Betriebsratswahlen in 2022 zu verschaffen.

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