Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nicht, wenn während oder im Anschluss an eine auf einer Erkrankung beruhenden Arbeitsunfähigkeit eine andere Erkrankung hinzutritt, die eine neue Arbeitsunfähigkeit begründet. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch wird erst dann wieder ausgelöst, wenn die der ersten Arbeitsunfähigkeit zugrundeliegende Erkrankung beendet ist, bevor die neue Erkrankung hinzutritt.

In dem dem Urteil zugrundeliegenden Fall hatte eine Arbeitnehmerin, die zunächst aufgrund einer psychischen Erkrankung etwa drei Monate (vom 7. Februar bis zum 18. Mai 2017) arbeitsunfähig erkrankt war, für einen sich daran anschließenden Zeitraum bei ihrem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung geltend gemacht. Hierfür reichte sie eine auf die Zeit vom 19. Mai bis zum 30. Juni 2017 ausgestellte Erstbescheinigung ein. Grund für die erneute Erkrankung war eine seit längerem geplante Operation, die in keinem Zusammenhang mit der vorhergehenden Erkrankung stand.

Der Arbeitgeber lehnte die Zahlung ab. Er ging trotz der Erstbescheinigung von einer einheitlichen Verhinderung aus, welche keinen weiteren Anspruch auf Entgeltfortzahlung auslöse.

Nachdem das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hatte, entschied das LAG zugunsten des Arbeitgebers. Das BAG schloss sich dem LAG an.

Das BAG begründete seine Entscheidung unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles. Grundsätzlich sei der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für eine auf demselben Grundleiden beruhende Arbeitsunfähigkeit auf sechs Wochen beschränkt. Hieran ändere sich nichts, wenn während einer Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Arbeitsunfähigkeit hinzutrete.

Ein erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch komme in einem solchen Fall nur dann in Betracht, wenn die erste Erkrankung zu dem Zeitpunkt, an dem die zweite hinzutritt, bereits beendet sei. Dies habe der Arbeitnehmer dazulegen und zu beweisen. Ausschlaggebend sei hierbei nicht das Vorliegen bestimmter Symptome, sondern das Bestehen eines Grundleidens, das trotz eventueller unterschiedlicher Symptomatik als einheitliche Erkrankung anzusehen sei.

Vorliegend gelang es der Arbeitnehmerin nicht, zu beweisen, dass die erste – psychische – Erkrankung bereits ausgeheilt war, sodass sie keine erneute Entgeltfortzahlung beanspruchen konnte.

Die begrüßenswerte Entscheidung des BAG trägt zur Vermeidung des Missbrauchs des Prinzips der Entgeltfortzahlung durch Einreichen von Erstbescheinigungen unmittelbar nach oder während einer bestehenden Erkrankung bei. Denn das Gericht stellt klar, dass der Arbeitnehmer nicht nur darlegen und beweisen muss, dass er erkrankt ist und es sich um eine Ersterkrankung handelt, sondern ihn darüber hinaus die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die bisherige Erkrankung zum Zeitpunkt des Eintretens der zweiten Erkrankung vollständig ausgeheilt war.

 

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