Konkret ging es dabei um die Frage, ob die Personalvertretung einer Airline verlangen kann, eine Schulungsveranstaltung an einem weit entfernten Ort in Präsenz wahrzunehmen, obgleich derselbe Anbieter die virtuelle Teilnahme an der Schulungsveranstaltung anbot. Der Arbeitgeber wollte die Kosten für die Schulungsmaßnahme übernehmen, nicht aber die für die Präsenzteilnahme anfallenden Reise- und Übernachtungskosten.

Mit Beschluss vom 07. Februar 2024 (7 ABR 8/23) stellte das BAG nun klar, dass die Personalvertretung nicht nur einen Spielraum bei der Auswahl der Schulungsveranstaltung, sondern auch bei der Wahl des Schulungsformats hat. Die bei einer Präsenzveranstaltung zusätzlich anfallenden Kosten für Übernachtung und Verpflegung sind dann vom Arbeitgeber zu tragen.

Sachverhalt

In dem vorliegenden Fall beantragte die Personalvertretung einer Fluggesellschaft für zwei ihrer neuen Mitglieder die Teilnahme an einer Schulung zum Betriebsverfassungsrecht in Binz auf Rügen. Dieses kostenintensive Format wurde von Seiten des Arbeitgebers abgelehnt. Die Mitglieder wichen dann auf ein günstigeres – aber dem Arbeitgeber immer noch zu teures –  Ersatzangebot (gleiche Schulung in Präsenz in Potsdam) aus. Die Gesamtkosten setzten sich aus den Seminarkosten für zwei Teilnehmer in Höhe von 1.528,00 € sowie Übernachtungs- und Reisekosten von 1.108,62 € zuzüglich Umsatzsteuer zusammen.

Im Anschluss verweigerte die Beklagte die Kostenerstattung mit der Begründung, die Personalratsmitglieder hätten an einem zeitlich und inhaltlich identischen mehrtägigen Webinar zum Betriebsverfassungsrecht desselben Schulungsanbieters teilnehmen können, das (aufgrund des Wegfalls von Übernachtungs- und Reisekosten) erheblich geringere Kosten verursacht hätte.

Beschluss des BAG

Das BAG entschied nun, dass die Arbeitgeberin auch die Zusatzkosten der Präsenzveranstaltung übernehmen muss und bestätigte somit der Linie der Vorinstanzen (zuvor: LAG Düsseldorf, Beschluss vom 24. November 2022 – 8 TaBV 59/21). Betriebs- und Personalräte haben gem. § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 6 S. 1, Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf Kostenübernahme für Schulungen im Rahmen ihrer Tätigkeit im Rahmen der Betriebsverfassung. Erfasst sind davon auch Übernachtungs- und Verpflegungskosten, sofern diese erforderlich sind.

Die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung nach § 40 Abs. 1 BetrVG steht unter dem in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Personalvertretung. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hat die Personalvertretung die betriebliche Lage sowie die finanziellen Auswirkungen auf den Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Schulungsveranstaltung zu berücksichtigen. Der Schulungszweck muss in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln stehen.

Bei der Wahl des konkreten Schulungsangebots steht der Personalvertretung aber ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Das BAG betont, dass die Personalvertretung die Schulungsteilnahme und die hierdurch entstandenen Kosten im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums für erforderlich halten durfte. Dem stehe es nicht von Anfang an entgegen, dass bei einer Präsenzveranstaltung regelmäßig höhere Kosten entstehen als bei virtueller Teilnahme. Zwischen einem Webinar und einer Präsenzschulung bestand jedoch vorliegend keine qualitative Gleichwertigkeit. Die Onlineschulung umfasste in zeitlicher Hinsicht lediglich 75% des Präsenzseminars und der Lerneffekt sei bei einer Präsenzveranstaltung als deutlich höher einzustufen als bei einem digitalen Format. Die Personalvertretung musste sich daher im konkreten Fall folglich nicht auf ein Webinar verweisen lassen.

Praxishinweis

Die Entscheidung weist aus unserer Sicht eine hohe Praxisrelevanz auf. Das Thema „Fortbildungskosten für die Personalvertretung“ führt häufig zu Unstimmigkeiten. Während digitale Angebote vor allem Vorteile für den Arbeitgeber bieten, überwiegen die Vorteile der Präsenzveranstaltungen häufig für die Interessensvertreter, insbesondere im Hinblick auf die Diskussions- und Austauschmöglichkeit vor Ort.

Im Ergebnis sollte der Arbeitgeber die konkrete Seminarauswahl und die Anzahl und Auswahl der konkret zu schulenden Personen prüfen, sollte dabei aber den Ermessensspielraum der Personalvertretung nicht außer Acht lassen. Das reine Kostenargument dürfte nun nach der hier besprochenen Entscheidung nicht mehr greifen.

Foto: Shutterstock / G-Stock Studio

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