Kein Skiverbot

In Zeiten knapper Personalressourcen und hoher Krankenstände wird der vorsichtige Arbeitgeber verhindern wollen, dass sich seine Mitarbeitenden im Urlaub erhöhten Verletzungsrisiken aussetzen. Allerdings wird allenfalls im Profifußball oder vergleichbaren besonderen Arbeitsverhältnissen vertreten, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden die Ausübung bestimmter Sportarten verbieten können. In der normalen Arbeitswelt wird ein solches Verbot unter anderem als unangemessener Eingriff in die vom Grundgesetz geschützte Privatsphäre der Mitarbeitenden angesehen. Auch ängstliche Arbeitgeber müssen demnach ertragen, dass sich ihre Mitarbeitenden den Risiken des alpinen Skisports aussetzen. Das ist ebenso hinzunehmen wie der mitarbeitende Amateurfußballer, der sich jeden Samstag den Risiken von Knochenbrüchen auf dem Fußballplatz aussetzt, um mit etwas Glück am Montag nur leicht angeschlagen zur Arbeit zu erscheinen.

Ebenso wenig wird man dem Mitarbeitenden den begehrten Urlaub versagen können, wenn man Angst vor Skiunfällen hat. Prinzipiell geht es den Arbeitgeber nichts an, wo und wie Mitarbeitende ihren Urlaub verbringen. Dem Urlaubsbegehr können nach § 7 Abs. 1 BurlG Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer oder dringende betriebliche Belange, nicht aber die Ängste vor einem Skiunfall entgegengehalten werden.

Entgeltfortzahlung

Ebenso wenig kann der Arbeitgeber den gesetzlich normierten Anspruch auf Entgeltfortzahlung für besondere Situationen im Vorhinein vertraglich ausschließen. Der Schutz des Entgeltfortzahlungsgesetzes steht nicht zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien. Demnach muss der Arbeitgeber sehenden Auges ertragen, dass sich die Mitarbeitenden in ihrem Urlaub schwer verletzen könnten und dann sogar für sechs Wochen den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bedienen.

Zwar ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung iSv § 3 Abs.1 EFZG gesetzlich ausgeschlossen, wenn den Arbeitnehmer ein Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit trifft. Die Hürden der Rechtsprechung sind allerdings hoch. Erforderlich sei ein grober Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierfür drei Fallgruppen gebildet.

Skisport keine besonders gefährliche Sportart

Der Skisport mag gefährlich sein, fällt nach allgemeiner Ansicht aber nicht unter die Fallgruppe der besonders gefährlichen Sportart; selbst das Drachenfliegen zählt nicht darunter. Allenfalls für den Kickboxer und vergleichbar gefährliche Sportarten erscheint es denkbar, die Entgeltfortzahlung wegen verschuldeter Erkrankung zu verweigern. „Keine der gesellschaftlich anerkannten Sportarten bringen für den Sportler, der ihr körperlich gewachsen sei, bei Beachtung der vorhandenen Sicherheitsregeln so große Gefahren mit sich, dass sie nicht mehr im angemessenen Verhältnis zu den positiven Werten der sportlichen Betätigung stünden“, meint unter anderem das LAG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 29.10.1998 – 5 Sa 823/98. Auch Fingerhakeln soll keine besonders gefährliche Sportart sein, sofern keine schwachen oder verletzungsanfälligen Fingerknochen vorliegen.

Achtung Skianfänger

Die zweite Fallgruppe der selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit ist möglicherweise häufiger einschlägig. Dafür müsste der Skisport die sportliche Leistungsfähigkeit des Mitarbeitenden erheblich übersteigen und ihm dies bewusst sein. Ein Beispiel ist der Ski-Anfänger, dem man selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit vorwerfen könnte, wenn er sich ohne Können aber mit viel Mut zu Beginn seiner Ski-Karriere auf die schwarze Piste stürzt und dabei verletzt.

Der Einkehrschwung und die Fahrt abseits der Piste

Die dritte Fallgruppe der selbstverschuldeten Krankheit, nämlich der Verstoß gegen anerkannte Regeln des Skisports, ist sicherlich keine Seltenheit in der Bergwelt. Wenn der Einkehrschwung zu Mittag etwas länger dauert und mit Bier und Obstler angereichert wird, um direkt zum Après-Ski überzugehen, wird der Skiunfall auf der finalen Talabfahrt die Entgeltfortzahlung infrage stellen können. Das gilt sicherlich auch für den Skiunfall abseits der präparierten Pisten. In den seltensten Fällen wird der Arbeitgeber davon jedoch Wind bekommen.

Forderungsübergang beim Pistenrowdy

Mit etwas Glück findet der Arbeitgeber allenfalls heraus, dass der Mitarbeitende nicht versehentlich stürzte, sondern von einem angetrunkenen Pistenrowdy über den Haufen gefahren wurde. Für diesen Fall sieht das Entgeltfortzahlungsgesetz in § 6 EFZG einen Forderungsübergang von dem Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber vor. Es lohnt sich also immer, im Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen eines Skiunfalls auch den Unfallhergang zu erfragen.

Ansonsten gilt, was Winston Churchill schon sagte: „No Sports!“ In diesem Sinne: „Ski heil oder Hals- und Beinbruch!“

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