Noch bis zum 31. Mai 2022 finden deutschlandweit in vielen Betrieben Betriebsratswahlen statt. Nachdem wir bereits über die Änderungen der Wahlordnung und deren Auswirkungen auf Unternehmen berichtet haben, möchten wir Sie in diesem Beitrag auf die möglichen Sonderkündigungsschutzvorschriften im Zusammenhang mit den Betriebsratswahlen hinweisen.

Um die Unabhängigkeit des Betriebsrats auch bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber sicherzustellen, genießen Betriebsratsmitglieder nach § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) einen besonderen Kündigungsschutz. Zudem hat der Gesetzgeber auch eine Vielzahl weiterer Funktionsträger*innen mit Sonderkündigungsschutz ausgestattet. Im Einzelnen:

Betriebsratsmitglieder

Die ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist während der Amtszeit und bis zum Ablauf eines Jahres nach Ende der Amtszeit grundsätzlich unzulässig. Während der Dauer des Sonderkündigungsschutzes kann ein Betriebsratsmitglied nur außerordentlich aus wichtigem Grund (z. B. bei schwerer Pflichtverletzung) und mit Zustimmung des Betriebsrats bzw. der Zustimmung durch das Arbeitsgericht gekündigt werden (§ 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, § 103 BetrVG). Ausnahmen von diesem Kündigungsschutz bestehen bei der Stilllegung eines Betriebs oder einer Betriebsabteilung. Eine ordentliche Kündigung ist dann grundsätzlich frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig. Wird nur eine Abteilung stillgelegt, ist die Kündigung nur dann wirksam, wenn die Beschäftigung in einer anderen Abteilung aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist. Die Zustimmung des Betriebsrats zur ordentlichen Kündigung ist nicht erforderlich. Dennoch bedarf es einer ordnungsgemäßen Anhörung nach § 102 BetrVG.

Vertreter*innen (Ersatzmitglieder)

Der besondere Kündigungsschutz erstreckt sich nicht nur auf die Betriebsratsmitglieder, sondern auch auf deren Vertreter*innen (Ersatzmitglieder). Ein Vertretungsfall tritt ein, wenn ein ordentliches Betriebsratsmitglied zeitweilig verhindert ist, also aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, das Amt auszuüben. Der Sonderkündigungsschutz beginnt mit dem Vertretungsfall und besteht für die gesamte Dauer der Verhinderung, unabhängig davon, ob vom Ersatzmitglied Betriebsratsaufgaben wahrgenommen wurden. Der nachwirkende Kündigungsschutz von einem Jahr besteht dagegen nur dann, wenn das Ersatzmitglied tatsächlich eine Betriebsratstätigkeit erbracht hat.

Wahlvorstandsmitglieder, Wahlbewerber*innen und Wahlinitiator*innen

Unzulässig ist auch die ordentliche Kündigung von Wahlvorstandsmitgliedern, Wahlbewerber*innen und Wahlinitiator*innen. Der Schutz beginnt dabei mit der Einladung oder Antragsstellung zur Wahl und endet mit der Bekanntgabe der Wahlergebnisse.

Vor-Wahlinitiator*innen

Neu ist der Sonderkündigungsschutz für Vor-Wahlinitiator*innen. Personen, die Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternehmen, genießen nun auch besonderen Kündigungsschutz. Nach der Gesetzesbegründung ist unter einer Vorbereitungshandlung zur Errichtung eines Betriebsrats jedes für Dritte erkennbare Verhalten zu verstehen, das zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl geeignet ist. Hierzu zählen beispielsweise Gespräche mit Kolleg*innen, um die Unterstützung für eine Betriebsratsgründung zu ermitteln. Auch die Kontaktaufnahme zu einer Gewerkschaft, um Informationen zur Betriebsratswahl zu erhalten, ist eine solche Vorbereitungshandlung. Voraussetzung des besonderen Kündigungsschutzes für Vor-Wahlinitiator*innen ist, dass sie eine öffentlich beglaubigte Erklärung über die Absicht, einen Betriebsrat zu gründen, abgegeben haben. Der Sonderkündigungsschutz gilt von der Abgabe der beglaubigten Absichtserklärung bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung, längstens jedoch für drei Monate.

Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung und andere Amts- und Funktionsträger*innen

Der Sonderkündigungsschutz gilt auch für Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie für weitere Amts- und Funktionsträger*innen, die vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig angesehen werden:

  • Betriebliche Datenschutzbeauftragte können nicht ordentlich gekündigt werden (§ 6 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz, BDSG). Diesen Sonderkündigungsschutz genießen auch stellvertretende Datenschutzbeauftragte. Auch nach der Abberufung ist die Kündigung innerhalb eines Jahres nur aus wichtigem Grund zulässig. Ähnlich wie bei Ersatzmitgliedern des Betriebsrates tritt der nachwirkende Sonderkündigungsschutz für den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur ein, wenn dieser tatsächlich als Datenschutzbeauftragter tätig geworden ist.
  • Ab der Bestellung ist auch die ordentliche Kündigung von Immissionsschutzbeauftragten unzulässig. Auch hier ist die Kündigung innerhalb eines Jahres nach Abberufung nur aus wichtigem Grund möglich (§ 58 Abs. 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz, BImSchG).
  • Gleiches gilt für weitere Betriebsbeauftragte wie Störfallbeauftrage (§ 58d BImSchG), Gewässerschutzbeauftragte (§ 21 f. Wasserhaushaltsgesetz, WHG), Abfallbeauftragte (§ 59 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz, KrWG), Strahlenschutzbeauftragte (§ 70 Abs. 6 Strahlenschutzgesetz, StrSchG). Keinen entsprechenden Sonderkündigungsschutz genießen etwa Sicherheitsbeauftragte und Inklusionsbeauftragte.
  • Politische Mandatsträger*innen und Wahlkandidat*innen genießen sowohl auf europäischer als auch auf Bundes- und Landesebene Sonderkündigungsschutz und dürfen nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, nicht aber aufgrund des Erwerbs oder der Ausübung des Mandats gekündigt werden. Vergleichbare Regelungen bestehen in einigen Bundesländern auch für ehrenamtliche Gemeindevertreter*innen (z.B. in Berlin (§ 10 BezVG), Hessen (§ 35a Abs. 2 HGO) oder Rheinland-Pfalz (§ 18a Abs. 4 GemO RLP)).
  • Ehrenamtliche Richter*innen dürfen ebenfalls nicht wegen der Ausübung und Übernahme ihres Amtes benachteiligt werden und genießen insoweit Sonderkündigungsschutz (§ 45 Abs. 1a DRiG, § 26 ArbGG, § 20 SGG). Liegen unabhängig von der Übernahme und Ausübung des Amtes während der Amtszeit Tatsachen vor, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen, kann eine solche unter Umständen zulässig sein (Art. 110 LVerf Bbg).

Um unwirksame Kündigungen zu verhindern, ist es für Unternehmen daher ratsam, sich vor Ausspruch einer Kündigung über mögliche Sonderregelungen und –fristen zu informieren. Gerne helfen wir bei der Beachtung der besonderen Kündigungsvorschriften.

 

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