Der Deutsche Bundestag hat am 23. Juni 2022 einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie (EU) 2019/1152 aus dem Jahr 2019 verabschiedet. Das Gesetz soll am 1. August 2022 in Kraft treten. Neben umfassenden Informations- und Dokumentationspflichten für Arbeitgeber werden neue Mindestanforderungen für Arbeitsbedingungen eingeführt. Die wichtigsten Neuerungen haben wir für Sie zusammengestellt:

Änderungen im Nachweisgesetz

Die umfangreichsten Änderungen sind im Nachweisgesetz zu finden. Die Pflichtangaben, über die Arbeitgeber ihre Beschäftigten schriftlich informieren müssen, beinhalten künftig:

  • Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts: Neben der Grundvergütung sind alle weiteren Entgeltbestandteile wie Überstundenvergütung, Zuschläge, Prämien, Boni einzeln aufzuführen, einschließlich der jeweiligen Fälligkeit und Art der Auszahlung.
  • Arbeitszeit einschließlich vereinbarter Pausen- und Ruhezeiten, bei Schichtarbeit zusätzlich Angaben zu Schichtsystem, Schichtrhytmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen. Auch Vereinbarungen zur Anordnung und Voraussetzung von Überstunden sind zu dokumentieren.
  • Dauer einer vereinbarten Probezeit.
  • Vereinbarte Arbeitsorte sowie ggfs., ob die Beschäftigten den Arbeitsort frei wählen können.
  • Enddatum von Befristungen oder deren vorhersehbare Dauer.
  • Bei Vereinbarungen zur Arbeit auf Abruf ist künftig neben Ankündigungsfrist und zu vergütender Mindeststundenzahl ein konkreter Zeitrahmen (Referenztage und Referenzstunden) für die Abrufarbeit festzuhalten. Entsprechende Neuregelungen finden sich auch im Teilzeit- und Befristungsgesetz.
  • Zusätzlich zur Kündigungsfrist sind Angaben zu dem bei Kündigung einzuhaltenden Verfahren zu machen, insbesondere zum Schriftformerfordernis und der dreiwöchigen Klagefrist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
  • Bezahlte Fortbildungen: Nach einer entsprechenden Änderung der Gewerbeordnung dürfen Arbeitgeber die Kosten für Pflichtfortbildungen künftig nicht mehr auf die Beschäftigten umlegen. Zudem gilt die Teilnahme an Pflichtfortbildungen generell als Arbeitszeit und soll möglichst während der regulären Arbeitszeit stattfinden.
  • Name und Anschrift des Trägers einer vom Arbeitgeber zugesagten betrieblichen Altersversorgung, sofern die Information nicht schon verpflichtend vom Versorgungsträger zu erteilen ist.
  • Auslandsentsendungen: Beschäftigte, die für länger als vier Wochen am Stück ins Ausland entsandt werden, sind vor ihrer Abreise schriftlich über die wesentlichen Modalitäten zu informieren.
  • Wie bisher müssen Arbeitgeber zusätzlich auch weitere wesentliche Bestandteile des Arbeitsverhältnisses dokumentieren. Dazu gehören Namen und Anschrift der Vertragsparteien, Vertragsbeginn, Tätigkeitsbeschreibung, Urlaub sowie allgemeine Hinweis auf anwendbare Tarifverträge und Betriebs- oder Dienstvereinbarungen.

Schriftformgebot: Das Gesetz schreibt ausdrücklich die Aushändigung eines schriftlichen und vom Arbeitgeber unterzeichneten Nachweises an die Beschäftigten vor. Eine digitale Information, z.B. per E-Mail oder im Rahmen eines nur digital unterzeichneten Arbeitsvertrages, ist nicht ausreichend.

Auch der Zeitpunkt der Nachweispflicht wurde vorverlagert: Informationen über die wichtigsten Vertragsbestandteile wie Name und Anschrift der Vertragsparteien, Arbeitsentgelt und Arbeitszeit müssen bereits am 1. Arbeitstag ausgehändigt werden. Die übrigen Informationen sind binnen 7 Tagen nachzureichen. Die Nachweispflichten gelten künftig auch gegenüber nur vorübergehend beschäftigten Aushilfen.

Bei Arbeitsverhältnissen, die bereits vor dem 1. August 2022 bestanden haben, gelten die neuen Nachweispflichten nur auf Nachfrage der Beschäftigten.

Bei einer Änderung wesentlicher Arbeitsbedingungen ist den Beschäftigten spätestens am Tag des Inkrafttretens ein schriftlicher Nachweis auszuhändigen.

Verstöße gegen die Nachweispflichten können mit Bußgeldern von bis zu 2.000 Euro geahndet werden.

Änderung weiterer Gesetze

Im Zuge der Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie wurden auch zahlreiche weitere Gesetze entsprechend angepasst.

  • Weitreichende Neuregelungen finden sich u.a. im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz: Nach mindestens sechsmonatiger Überlassungsdauer können Leiharbeitnehmende künftig vom Entleiher in Textform eine begründete Antwort auf ihren Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Entleiherunternehmen verlangen. Die Antwort ist vom Entleiher binnen eines Monats in Textform zu erteilen.
  • Auch das Teilzeit- und Befristungsgesetz sieht deutlich erweiterte Arbeitgeberpflichten vor. Beschäftigte, die den Wunsch nach Änderung ihrer Arbeitszeiten äußern, sind künftig konkret über passende Vakanzen zu informieren. Bestand das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate, müssen Arbeitgeber binnen eines Monats in Textform begründen, warum sie einem entsprechend geäußerten Änderungswunsch nicht nachkommen. Vergleichbare Regelungen gelten für befristet Beschäftigte, die den Wunsch nach unbefristeter Beschäftigung äußern. Auf hier ist eine Absage vom Arbeitgeber binnen eines Monats nach Zugang einer entsprechenden Anfrage in Textform zu begründen.
  • Bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss die Probezeit künftig im Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und Art der Tätigkeit stehen.

Was Arbeitgeber jetzt tun müssen:

Bestehende Arbeitsverträge müssen nicht geändert werden. Hier reicht es, wenn die Arbeitgeber den Beschäftigten die ab 1. August 2022 zusätzlich erforderlichen Informationen auf Nachfrage separat erteilen.

Für Neueinstellungen ab 1. August 2022 sollten Arbeitgeber ihre Arbeitsvertragsmuster und Personalprozesse überprüfen. In der Regel werden viele der erforderlichen Informationen in den Vertragsmustern bereits enthalten sein, so dass meist nur wenige Ergänzungen der Vertragsmuster erforderlich sein sollten. Alternativ können Arbeitgeber die zusätzlich erforderlichen Informationen wie beispielsweise zum Verfahren bei Kündigungen auch mit einem gesonderten (vom Arbeitgeber unterschriebenen) Hinweisblatt erteilen. Vor grundlegenden Problemen stehen Arbeitgeber, die ihre Arbeitsverträge bisher digital abgeschlossen haben: Diese müssen ihren Beschäftigten künftig zusätzlich ein separates Informationsschreiben aushändigen bzw. ihr Vertragsmanagement insgesamt umstellen.

Gern unterstützen wir Sie bei der Prüfung und Anpassung Ihrer Arbeitsvertragsunterlagen und der Personalprozesse.

Bei Interesse laden wir Sie auch herzlich zur Teilnahme an unserem Webinar zu den Neuregelungen der Arbeitgeber-Informationspflichten ein.

Foto: © Shutterstock.com / OtmarW

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