Insbesondere aufgrund der Covid-19-Pandemie haben viele Arbeitnehmer*innen ihren Urlaub aus 2020 noch nicht vollständig genommen. Der folgende Beitrag erläutert wann Resturlaub übertragen wird, wann er verfällt oder verjährt und welche Mitwirkungspflichten der Arbeitgeber hat.
Nach § 7 Abs. 3 S.1 BUrlG ist der im laufenden Kalenderjahr gewährte Urlaub auch im selben Jahr zu nehmen, da er ansonsten ersatzlos untergeht. Eine gesetzliche Übertragung des Urlaubs auf das Folgejahr kann nur in Ausnahmefällen erfolgen, soweit dringende persönliche (Krankheit) oder betriebliche Gründe dies rechtfertigen. In solch einem Ausnahmefall wird der übertragene Urlaub dem Urlaub des folgenden Kalenderjahres hinzugerechnet, kann jedoch nur in den ersten 3 Monaten (bis zum 31. März) des Folgejahres genommen werden. Die Übertragung des Resturlaubs erfolgt kraft Gesetzes. Ein besonderer Antrag ist hierzu nicht nötig. Wird der übertragene Urlaub bis zum 31. März nicht genommen, so verfällt er grundsätzlich.
Nach der Rechtsprechung erlischt der Anspruch auf den bis zum Jahresende nicht genommenen Urlaub jedoch nicht ohne weiteres. Vielmehr trifft den Arbeitgeber eine aktive Mitwirkungspflicht zur Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Eine solche Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers besteht jedoch nur in Bezug auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Wurde vertraglich ein Mehrurlaub vereinbart, kann vereinbart werden, dass den Arbeitgeber hinsichtlich des Mehrurlaubs keine Mitwirkungspflicht trifft. Erfolgt keine Unterscheidung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und zusätzlichem vertraglichen Urlaub ist davon auszugehen, dass sich die Mitwirkungspflicht auch auf den über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden Urlaubsanspruch erstreckt.
Im Rahmen der Mitwirkungspflicht muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer*innen konkret auffordern, ihren Urlaub zu nehmen und auf den drohenden Verfall des nicht genommenen Urlaubs hinweisen. Die Beweislast hierfür trägt der Arbeitgeber. Wie eine solche Aufforderung des Arbeitgebers konkret gestaltet werden soll, ist nicht gesetzlich geregelt. Das BAG schreibt eine klare und rechtzeitige Aufklärung über den Urlaubsanspruch und die Verfallfristen vor. Diese hat „förmlich“ zu erfolgen. Hierbei sind der Umfang des bestehenden Urlaubsanspruchs sowie die konkreten Fristen des Verfalls anzugeben. Die Hinweispflicht bezieht sich auch auf den Urlaub vergangener Jahre. Eine rechtzeitige Mitwirkung des Arbeitgebers ist wohl jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Aufforderung in zeitlicher Hinsicht dergestalt ausgesprochen wird, dass der Urlaubsanspruch vor dem Verfallsdatum noch tatsächlich und vollständig wahrgenommen werden kann.
Auch in Bezug auf den in das Folgejahr übertragenen Urlaub hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer*innen darauf hinzuweisen, dass der übertragene Urlaub bis spätestens zum 31. März zu nehmen ist und anderenfalls ersatzlos verfällt. Kommt er dem nicht nach, ist die Frage, ob der Urlaubsanspruch überhaupt verjähren kann. Diese Frage hat das BAG dem EuGH zur Klärung vorgelegt (Beschluss vom 29. September 2020 – 9 AZR 266/10). Wäre das nicht der Fall, könnten Arbeitnehmer*innen den übertragenen Urlaub auch noch nach Ablauf der Verjährungsfristen in Anspruch nehmen bzw. im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre er entsprechend abzugelten.
Verweigert der Arbeitgeber die Gewährung des rechtzeitig verlangten Urlaubs, ohne dass ein dringender betrieblicher oder persönlicher Grund vorliegt, und kann der Urlaub nicht anderweitig im Kalenderjahr geltend gemacht werden, so wird er in das Folgejahr übertragen und verfällt nicht. Gleiches gilt für den Resturlaub, der im Übertragungszeitraum bis Ende März zwar zusteht, aber nicht gewährt wird. Stattdessen erhalten Arbeitnehmer*innen einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs.1, Abs.3, 283 S.1 BGB auf sog. Ersatzurlaub, da der Arbeitgeber mit seiner Pflicht zur Urlaubsgewährung in Verzug war. Der Anspruch auf Ersatzurlaub ist ein Zahlungsanspruch und unterliegt der Regelverjährung von 3 Jahren nach § 195 BGB.
Praxistipp
Um als Arbeitgeber den Anforderungen an die Mitwirkungspflicht des BAG nachzukommen, sollte er die Arbeitnehmer*innen schriftlich konkret auf den im Kalenderjahr zustehenden Urlaub hinweisen. Sollten Arbeitnehmer*innen noch Urlaubsansprüche aus vergangenen Jahren haben, sind auch diese konkret zu benennen. Letztlich stehen Unternehmen vor der Frage, wie die Mitwirkungspflichten im Sinne der Rechtsprechung des BAG und der damit verbundene Aufwand in die betrieblichen Prozesse zu integrieren ist. Für die praktische Umsetzung der Mitteilungsplicht ist es bspw. empfehlenswert, die Arbeitnehmer*innen individuell, z.B. per E-Mail aufzufordern (Rest-)Urlaub zu nehmen und auf den Verfall hinzuweisen. Hierbei ist auch der konkrete Urlaubsanspruch zu nennen. Ausreichend dürfte in diesem Zusammenhang auch eine Verknüpfung zu einer unternehmensinternen Datenbank oder Software sein, der Einsicht zum noch Urlaubsanspruch gewährt. Beim Versand dieser E-Mails an die Arbeitnehmer*innen sollte eine Lesebestätigung angefordert werden, um im Streitfall den Zugang der Mitteilung nachweisen zu können. Lediglich eine Rundmail an die gesamte Belegschaft mit der Aufforderung Urlaub in Anspruch zu nehmen und ein allgemeiner Hinweis auf die Verfallfristen, genügt nicht den Anforderungen des BAG.
Der Hinweis auf den Verfall des nicht genommenen Urlaubs sollte so bald wie möglich zu Beginn des Kalenderjahres erfolgen, damit eine tatsächliche Möglichkeit für Arbeitnehmer*innen, den Urlaub vollständig zu nehmen. Um die Umwandlung des Urlaubs aus dem Vorjahr in Ersatzurlaub zu vermeiden und ihren Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, sollten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer*innen im März zusätzlich auffordern Resturlaub bis zum 31. März zu nehmen und auf den Verfall hinweisen.