Als Folge kürzten viele Unternehmen präventiv die Vergütungen ihrer Betriebsräte, diese klagten wiederum vor den Arbeitsgerichten und bekamen in der überwiegenden Mehrzahl recht. Entflechten soll die entstandene Rechtsunsicherheit eine Ende Juni vom Bundestag beschlossene Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes.  Sie soll dazu beitragen, die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern auf eine neue, tragfähige und rechtssichere Grundlage zu stellen. Das „Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ ist zum 25. Juli 2025 in Kraft getreten.

Gesetzlicher Rahmen der Vergütung von Betriebsräten nach dem BetrVG

Den gesetzlichen Rahmen für die Höhe der Vergütung von Betriebsraten geben § 37 IV und § 78 II BetrVG vor. § 37 IV BetrVG soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmer*innen mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. Um das Mitglied des Betriebsrates vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu schützen, kommt es darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitgliedes während der Dauer seiner Betriebsratstätigkeit in Relation zu vergleichbaren Arbeitnehmer*innen zurückgeblieben ist. Aus § 37 IV BetrVG ergibt sich dafür ein Mindestentgeltanspruch des Betriebsratsmitgliedes als gesetzliche Untergrenze der Bemessung der Vergütung von Betriebsräten. § 78 II BetrVG normiert wiederum ein allgemeines, umfassendes Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot, welches auch die berufliche Entwicklung der Mitglieder eines Betriebsrates umfasst. Der Arbeitgeber ist gehalten, deren Mitgliedern eine berufliche Entwicklung zu gewährleisten, welche sie ohne Amtstätigkeit durchlaufen hätten und die Vergütung dementsprechend zu gestalten. Hierfür muss der Arbeitgeber eine Prognose anstellen. Für das Betriebsratsmitglied ergibt sich, wenn es nur infolge der Amtsübernahme nicht in ein eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, ein unmittelbarer Anspruch auf die Zahlung der höheren Vergütung aus § 611a BGB, § 78 II BetrVG. Die Anspruchsvoraussetzungen für diesen fiktiven Beförderungsanspruch waren bisher geprägt durch eine umfangreiche Rechtsprechung des BAG. Auch der BGH bezog sich in seiner Urteilsbegründung auf diese Rechtsprechung, wich aber in zentralen Fragen davon ab. Hier ergibt sich zwangsläufig ein Spannungsfeld zwischen dem Benachteiligungsverbot auf der einen Seite und dem Begünstigungsverbot auf der anderen und, damit verbunden, ein Risiko für den Arbeitgeber, mit seiner Prognoseentscheidung falsch zu liegen.

Der BGH stellte nun für die Gehaltsentwicklung der Betriebsräte nur auf die im Durchschnitt zu erwartende Entwicklung der vergleichbaren Arbeitnehmer*innen ab, der Einbezug einer hypothetischen Gehaltsentwicklung des Betriebsrates bei einer Sonderkarriere sei verboten. Gerade hier zeigt sich ein Widerspruch zur Rechtsauffassung des BAG, welches auch die individuelle Leistungsentwicklung von Betriebsratsmitgliedern als ein zulässiges Kriterium erachtet. Zu orientieren ist der fiktive Beförderungsanspruch an der Besetzung konkreter Stellen im Unternehmen.

Auch verwehrt sich der BGH einer abweichenden Bestimmung neuer, nunmehr maßgeblicher Vergleichspersonen aufgrund veränderter, besonderer Umstände. Das BAG sieht hingegen bei sachlichen Gründen eine Erforderlichkeit, die Vergleichsgruppe im Rahmen des § 37 IV 1 BetrVG neu zu bestimmen, da sonst die Gefahr besteht, dass bei fehlender Berücksichtigung entweder, bei im Entgelt höher einzugruppierenden vergleichbaren Arbeitnehmer*innen, die Entgeltgarantie leerlaufen könnte, oder aber in die andere Richtung keine Festsetzung einer Untergrenze für die Vergütung, sondern eine zu vermeidende Besserstellung des Betriebsratsmitgliedes erfolgt.

Ergänzungen des BetrVG im Detail

Mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ soll nun über eine inhaltliche Ergänzung dieser beiden für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern zentralen Vorschriften ein einheitliches Verständnis des rechtlichen Rahmens erreicht werden.

Im § 78 II BetrVG ergänzt der eingefügte Satz 3 das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot für Betriebsratsmitglieder in ihrer Tätigkeit wie beruflichen Entwicklung um Kriterien, woran eine benachteiligungs- und begünstigungsfreie Entgeltgewährung orientieren werden kann. Eine Benachteiligung oder Begünstigung im Hinblick auf das gezahlte Entgelt liegt danach nicht vor, wenn der jeweilige Amtsträger in seiner Person bezogen auf im Betrieb konkret vorhandene Arbeitsplätze, die für die Gewährung des Entgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

Im Mindestvergütungsanspruch aus § 37 IV BetrVG konkretisiert der neue Satz 3 den maßgeblichen Zeitpunkt der Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer*innen für die Berechnung des Mindestvergütungsanspruches. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG ist die Amtsübernahme als Zeitpunkt der Vergleichsgruppenbildung entscheidend. Klargestellt wird aber, dass ein sachlicher Grund zu einem späteren Zeitpunkt eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe erforderlich machen kann. Im ebenfalls hinzugefügten Satz 4 des Absatzes wird darüber hinaus nunmehr die nach ständiger Rechtsprechung des BAG bereits anerkannte Möglichkeit, in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung der vergleichbaren Arbeitnehmer*innen festzulegen, normiert. Als Anreiz, die Vergleichsgruppenbildung transparenter zu gestalten, ordnet der neue Satz 5 an, dass eine derartige Vereinbarung genau wie eine Festlegung konkreter Vergleichspersonen in Textform von Gerichten nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar ist.

            Mehr eine Klarstellung als eine Neuregelung

Eine „echte Neureglung“ bedeutet Erweiterung des Wortlautes des BetrVG mit Blick auf die Betriebsratsvergütung nicht. Die Erwägungsgründe zur Anpassung des BetrVG verweisen umfassend auf die bereits umfangreich vorhandene, ständige Rechtsprechung des BAG und stellen klar, dass die Anpassung im Einklang mit zur bestehenden Rechtslage und Rechtsprechung erfolgt. Mit Blick auf das Urteil des BGH-Strafsenats aus dem Januar 2023 hat der Gesetzgeber trotzdem ein Erfordernis gesehen, die entstandenen Rechtsunsicherheiten bei der Bestimmung zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern möglichst auszuräumen. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob die nun in Kraft getretenen Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes halten, was der Gesetzgeber verspricht. Eine Prognoseentscheidung anhand der langjährigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sollte nicht zu einer potenziellen Strafbarkeit von Arbeitgebervertreter*innen führen.

Foto: shutterstock // Sutthiphong Chandaeng

Verfasser

Topics


Zeige weitere Artikel

Melden Sie sich für unseren Newsletter an!

Jetzt anmelden