Worum ging es?
Der betroffene Arbeitnehmer war als Softwareentwickler tätig und nutzte das Wohnzimmer seiner im ersten Stock gelegenen Wohnung (auch) als Homeoffice. Im Januar 2021 befand er sich gerade in einer dienstlichen Telefonkonferenz, als aus dem Flur der Wohnung Rauch in das Wohnzimmer eindrang. Als er die Tür öffnete, um nach der Ursache zu sehen, explodierten die in der Wohnung gelagerten Akkus seines E‑Rollers. Es entstand eine Stichflamme und es entwickelte sich starker Rauch, sodass der Arbeitnehmer sich aus dem Fenster in den Innenhof fallen ließ, um zu flüchten. Dabei erlitt er Frakturen an beiden Füßen. Er machte danach geltend, dass er sich seine Verletzungen bei einem Arbeitsunfall zugezogen habe – schließlich habe er gerade im Homeoffice gearbeitet und an einer Telefonkonferenz teilgenommen, als das Unglück seinen Lauf nahm.
Die Berufsgenossenschaft war allerdings der Auffassung, dass es sich nicht um einen Arbeitsunfall handelte; ebenso entschied das Sozialgericht, nachdem der Arbeitnehmer Klage erhoben hatte. Hiergegen legte der Arbeitnehmer Berufung ein.
Wie hat das LSG Berlin‑Brandenburg entschieden?
Das LSG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz sowie die Auffassung der Berufsgenossenschaft. Nach Ansicht des Gerichts stand die konkrete dienstliche Verrichtung des Arbeitnehmers zum Unfallzeitpunkt nicht in einem engen inneren Zusammenhang mit der grundsätzlich ausgeübten und versicherten Tätigkeit als Softwareentwickler. Der Sprung aus dem Fenster war sachlich nicht an die dienstliche Tätigkeit im Homeoffice bzw. die gerade laufende Telefonkonferenz gekoppelt. Zudem verletzte sich der Arbeitnehmer nicht während der Konferenz selbst, sondern erst beim Sprung aus dem Fenster.
Darüber hinaus diente der rettende Sprung des Arbeitnehmers in erster Linie dem privaten Zweck der Lebensrettung. Der damit einhergehende, implizite Erhalt der Arbeitskraft spielte demgegenüber lediglich eine untergeordnete Rolle. Daran ändert auch die bisherige Rechtsprechung zu Arbeitsunfällen im Homeoffice nichts. Zwar kann ein Arbeitsunfall auch dann vorliegen, wenn sich im Homeoffice von privaten Gegenständen ausgehende Gefahren verwirklichen; dies gilt jedoch nur, soweit diese Gegenstände im Rahmen der beruflichen Tätigkeit genutzt wurden. Bei den in Brand geratenen Akkus des (privat genutzten) E-Rollers ist dies gerade nicht der Fall – daran ändert sich nach Auffassung des Senats auch dann nichts, wenn der Roller für den Arbeitsweg verwendet wird.
Ausblick
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Entscheidung liegt auf der Linie der bisher ergangenen Entscheidungen zu Unfällen im Homeoffice – die Gerichte erkennen Unfälle im privaten Bereich nicht als Arbeitsunfälle an, wenn sie keinen Zusammenhang mit der tatsächlichen dienstlichen Tätigkeit stehen.
Das Wichtigste in Kürze
Die Abgrenzung zwischen Arbeits‑ und Privatunfall erfolgt maßgeblich nach dem sachlichen Zusammenhang zwischen der konkreten Verrichtung und der versicherten Tätigkeit. Dient die Tätigkeit, bei der die Verletzung eingetreten ist (hier: der Sprung ins Freie) überwiegend privaten Zwecken, liegt kein Arbeitsunfall vor.
Andre Appel ist Partner im Berliner Büro von Ogletree Deakins.
Teodora Ghiniou ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Berliner Büro von Ogletree Deakins.
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