Die unterlassene Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses stellt keine Diskriminierung wegen einer Schwerbehinderung dar.

BAG, Urt. v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14

Sachverhalt

Eine mit dem Grad von 50 schwerbehinderte Arbeitnehmerin wurde während der Probezeit gekündigt. Gegen diese Kündigung erhob sie keine Kündigungsschutzklage. Allerdings machte sie gegen den Arbeitgeber einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG mit der Begründung geltend, durch die unterlassene Durchführung des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX sei sie wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert worden. Nach § 84 Abs. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber bei Eintreten personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Schwierigkeiten, die zur Gefährdung des Arbeitsverhältnisses führen, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebsrat/Personalrat sowie das Integrationsamt einzuschalten, um eine Lösung hierfür zu finden und das Arbeitsverhältnis zu schützen. Ihr sei durch die Nichtdurchführung des Präventionsverfahrens die Möglichkeit genommen, etwaige behinderungsbedingte Fehlleistungen zu beheben.

Entscheidung

Das BAG wies den Entschädigungsanspruch der Klägerin zurück. Nach Europarecht sind zwar angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX ist jedoch keine solche „angemessene Vorkehrung“.

Zudem ist der Arbeitgeber gar nicht verpflichtet, innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG) ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Es liegt somit keine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung der Arbeitnehmerin vor, weshalb sie auch keine Entschädigung von dem kündigenden Arbeitgeber verlangen kann.

Anmerkung OD

Dem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, einen schwerbehinderten Arbeitnehmer, sofern er sich während der Probezeit nicht bewährt, innerhalb der Probezeit zu kündigen. Während der Probezeit genießen schwerbehinderte Arbeitnehmer nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX noch keinen Sonderkündigungsschutz. Die entsprechenden Schutzvorschriften des SGB IX greifen noch nicht ein. Eine Probezeitkündigung bedarf daher nicht der Zustimmung des Integrationsamtes. Das Integrationsamt ist die Kündigung lediglich innerhalb von vier Tagen anzuzeigen (§ 90 Abs. 3 SGB IX).

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